
Zwischenstopp in Stettin
Jakub Gołębiewski ist Ko-Autor unseres gerade erschienenen Architekturführers Stettin. Die Stadt an der Oder ist für ihn Heimat – und Tor zur Welt. Hier nimmt uns der polnische Architekt mit auf eine Tour, die im Hafen startet und am Strand endet. Ahoi!
Text: Jakub Gołębiewski
Foto: Stettiner Philharmonie (Estudio Barozzi Veiga, 2015), © Harald Gatermann
Stettin ist ein Ort, an dem der Begriff »Europa« keine leere Worthülse ist. Das liegt nicht nur an seiner Geschichte als Teil der Hanse und historische Hauptstadt Pommerns: Stettiner fahren ins nahe Berlin zu Konzerten und DJs aus der deutschen Hauptstadt kommen zu uns. Ich bin in den Neunzigerjahren in Szczecin, so der polnische Name, groß geworden und habe erlebt, wie der Austausch über die Grenze hinweg immer intensiver wurde. Mit seinem Hafen – während der kommunistischen Zeit galt unsere Werft als einer der wichtigsten Orte des Widerstands der Solidarność – war Stettin aber schon immer der Welt zugewandt.
Achterleine los. Um zu erleben, wie untrennbar die Stadt mit dem Wasser verbunden ist, empfehle ich eine Rundfahrt durch Hafen und Werft zum Dąbie-See – mit Halt am Wrack eines einzigartigen Schiffs aus Beton. Wer es aktiver mag, kann zu einer Kajaktour ins Untere Odertal starten. Und natürlich gibt es viele gute Fischrestaurants, zum Beispiel Chief by The Kitchen (Zbożowa, Nabrzeże Celne), Zakotwiczony (Monte Cassino 1/9) und Paprykarz (Aleja Papieża Jana Pawła II 42). Letzteres ist nach einer lokalen Spezialität benannt: dem Paprykarz szczeciński, bestehend aus Fisch (rund 40 % des Gerichts), Reis, Zwiebeln, Tomatenmark und Gewürzen.
Segel setzen. Um beim Sightseeing munter zu bleiben, geht nichts über eines der vielen Stettiner Cafés. Ich mag etwa das Mozaika (Śląska 43/U1), in dem man auch Keramik aus der Region kaufen kann, und das Przystań na Kawę (Gen. Ludomiła Rayskiego 19). Unverzichtbar: ein Blick von der Aussichtsplattform der Jakobskathedrale (Świętego Jakuba Apostoła 1). Geheimtipps dagegen: der Atombunker am Hauptbahnhof und ein Bungee-Sprung vom 252 Meter hohen Schornstein der ehemaligen Wiskord-Fabrik (nicht, dass ich den Mut dazu hätte).
Klar zum Ankern. Am Ende des Tages unbedingt in die beeindruckende neue Philharmonie (Małopolska 48), freitags gibt es dort in der Regel klassische Konzerte. Und danach vielleicht in die Brauereien Pod Zamkiem (Panieńska 12) oder Wyszak (Księcia Mściwoja II 8), die sich in mittelalterlichen Kellern befinden. Als Absacker empfiehlt sich der köstliche Birnenlikör (Gruszkówka) in der Bar Towarzyska (Księcia Bogusława X 50). Im Sommer verlagert sich das Nachtleben auf die Boulevards an der Oder und an der Wyspa Grodzka, wo es einen Stadtstrand mit herrlichem Blick auf den Wały-Chrobrego-Damm gibt.
JAKUB GOŁĘBIEWSKI, Jahrgang 1985, ist Assistenzprofessor an der Westpommerschen Technischen Universität (ZUT) in Stettin und Ko-Autor unseres neuen Architekturführers über die Stadt. Foto: privat