
Das blaue Leuchten
Sieben Jahre dokumentierte der Fotograf Bernhard Ludewig deutsche Atomtechnik: in Deutschland selbst, aber auch im Ausland. Hier erklärt der DOM publishers-Autor vier seiner eindrucksvollsten Bilder.
Text & Fotos: Bernhard Ludewig
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HYPNOTISCH. Im Triga-Forschungsreaktor Mainz wird für wissenschaftliche Zwecke ein Puls ausgelöst: eine unkontrollierte Kettenreaktion, die sich selbst stoppt. Das Becken ist mit Wasser gefüllt, das die entstehenden Neutronen abbremst und zur Kühlung dient. Mehrere Rohrpostanlagen, die man im Zentrum des Bilds sieht, führen hinab zum Reaktorkern, um dort Proben bestrahlen zu können. Nach oben ist das Becken offen, meine Kamera konnte ich knapp über der Wasseroberfläche platzieren. Wenn unten geladene Teilchen durch das Wasser flitzen, entsteht ein Lichteffekt: das hypnotische blaue Leuchten. Es verzaubert auch mich.
SURREAL. Zwischen São Paulo und Rio befindet sich die letzte deutsche AKW-Baustelle. Seit den Achtzigerjahren wird hier im brasilianischen Angra gebaut, doch durch Finanzierungsprobleme kommt es immer wieder zu Verzögerungen. Im Jahr 2010 ging der erste deutsche Block ans Netz. Seither wird ein zweiter errichtet, dessen Technik seit 1984 eingelagert ist und wartet. Die Lage an der Atlantikküste ist traumhaft. Der schon fertige Reaktor ist weiß lackiert, seine Nebengebäude wirken wie ein pastellfarbenes Art-déco-Ensemble und sind von Palmen umstanden. Abends spiegelt sich der tropische Sonnenuntergang in der Kuppel.
FUNKELND. Hier erhaschen wir einen seltenen Blick in das Flutbecken des Kernkraftwerks Emsland unweit der niederländischen Grenze. Im Betrieb ist es mit dicken Betonriegeln bedeckt. Doch einmal im Jahr muss der Reaktor geöffnet werden, um verbrauchte Brennelemente austauschen zu können. Dazu wird zuerst der Beton entfernt. Für kurze Zeit ist nun der funkelnde Edelstahl zu sehen. Zwölf Meter unter uns befindet sich der schwere Reaktordeckel, der gleich mit dem Kran abgehoben werden soll. Anschließend wird das Becken mit Wasser geflutet, um die gefährliche Strahlung der Brennelemente abzuschirmen (siehe nächstes Bild ).
GEÖFFNET: Auch das AKW Gösgen in der Schweiz ist ein deutsches Modell, hier beim jährlichen Austausch der Brennelemente. Das Bild zeigt das geflutete Becken mit dem offenen Reaktor. Der von links oben hinabragende Greifarm holt die Brennelemente aus 16 Meter Tiefe und fährt sie ins benachbarte Abklingbecken. Einige sind abgebrannt und werden dort fünf Jahre gekühlt, bis sie in einem Castor-Behälter trocken gelagert werden können. Das ist der berüchtigte Atommüll, für den ein Endlager gesucht wird. Die anderen Elemente werden, zusammen mit einigen frischen, in neuer Anordnung wieder in den Reaktor gesteckt.