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Zwischenstopp in: Toulouse

Christof Göbel, Mit-Herausgeber unseres Architekturführers über Toulouse, ist seit mehr als zwei Jahren zu Gast in der südwestfranzösischen Metropole. Was dem Stadtforscher dort besonders gut gefällt: Gewässer, Parks – und eine Raumstation.

 

Text: Christof Göbel
Foto: Die Garonne und das Hôpital de La Grave, © Gremi357

 

Toulouse ist die viertgrößte Stadt Frankreichs – und sehr charakterstark. Die engen Gassen im Zentrum zeugen von einer langen Geschichte, die bis in die gallo-­römische Zeit zurückreicht. Es ist außerdem Europas Rugby-Hauptstadt und der Ort mit dem Dialekt »le plus sexy de France«, wenigstens behaupten das manche Toulouser. Ich habe Toulouse dank ­eines Forschungsaufenthalts kennen­gelernt und finde es sehr lebenswert.

Wasser. Durch die Stadt verlaufen der Canal du Midi, der das Mittelmeer und den Atlantik verbindet, und die Garonne. Beide prägen Toulouse stark. Ich wohne im Umland, und wenn ich ins Zentrum fahre, zieht es mich oft ans Flussufer: Rund um den Place de la Daurade und den Place Saint-Pierre gibt es viele Cafés und Restaurants, bis spät abends geht es dort quirlig zu; ­Toulouse ist eine junge Stadt – in Frankreich haben nur Paris und Lyon mehr Studenten. Auf der anderen Seite der ­Garonne – einmal über die Saint-Pierre-Brücke – befindet sich ein Museum für zeitgenössische Kunst, in dem interessante Ausstellungen stattfinden: Les Abattoirs (76 Allées Charles de Fitte) besitzt auch einen guten Museumsbuchladen.

Erde. Ich bin seit 2019 zu Gast an der Uni­versität ­Toulouse–Jean Jaurès, Teil eines städtebaulichen Ensembles von Candilis-­Josic-Woods aus den Sechzigerjahren. Leider ist von deren architektonischer Idee nach diversen Umbauten wenig übriggeblieben. Gerne spaziere ich durch die nahe gelegenen Parks. Dort kann man Pigeonniers finden, wie man sie sonst eher außerhalb von Toulouse sieht: große ­Taubenschläge (oft zweistöckig auf ­einem Grundriss von 5 × 5 Metern und mit offenem Erdgeschoss), die je nach Region anders gestaltet sind. Teilweise hat man sie inzwischen zu Wohnungen umgebaut.

Luft. In Toulouse befindet sich ein großes Airbus-Werk, das man auch besuchen kann. Mit der Familie lässt sich die Beziehung der Stadt zur Luft- und Raumfahrt am besten in der Cité de l’espace (Avenue Jean Gonord) erleben, einem interaktiven und lehrreichen Themenpark. Ein Highlight dort sind zum Beispiel die vier Module der Mir-Station, die von 1986 bis 2001 im Weltraum unterwegs war.

 

CHRISTOF GÖBEL ist Mit-Herausgeber und Teil des Autorenteams (auf dem Foto der zweite von rechts) unseres Architekturführers zu Toulouse, der auf Deutsch und auf Französisch erschienen ist. Den aus Deutschland stammenden Architekten und Stadtplaner führte ein Forschungsaufenthalt nach Frankreich. Göbel ist Professor an der UAM in Mexiko-StadtFoto: Maison de l'Architecture Occitanie-Pyrenées  

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Robotron-Kantine und Tele-Café: Wo die DDR einst speiste

Für kulinarische Höhepunkte war der ­Arbeiter- und Bauernstaat nicht bekannt, doch seine Mensen und Restaurants wurden oft anspruchsvoll ­gestaltet. Um ihren Charme zu erhalten, braucht es mehr Aufmerksamkeit für diese einzigartigen Orte.

 

Text: Dina Dorothea Falbe
Foto: 1970 lud die Wochenpost paläs­tinensische Kinder in die DDR ein. Auf dem Berliner Fernsehturm gab es für sie Kakao und Kuchen. © Bundesarchiv, Peter Heinz Junge

 

Er sollte die Botschaft der politischen Überlegenheit des Sozialismus gen Westen senden: Der Berliner Fernsehturm, eröffnet durch Walter Ulbricht kurz vor dem 20. Jahrestag der DDR am 3. Oktober 1969, war ein politisches Prestigeprojekt. Besonders die Stahlkugel als Turmkopf – ein Novum - galt als waghalsiges Unterfangen: eine architektonische Ideal­lösung ohne Rücksicht auf die Kosten. Denn der Turm war nicht nur da­rauf ausgelegt, durch schiere Größe zu beeindrucken (mit 368 Metern ist er bis heute das höchste Bauwerk seiner Art in Deutschland), er war buchstäblich ein Höhepunkt sozialistischer Gastrokultur. Im Tele-Café servierte man Schokoladen-Nuss-Parfait und sowjetischen Wodka – in 207 Meter Höhe.

Ein wesentliches Element war dabei die aufwendige Inneneinrichtung: Ledersitze und verchromte Tischlampen des Leuchtengestalters Richard Wilhelm sorgten für ein edles Ambiente. Gegenüber dem Ausblick durch die Panoramafenster wurden mit Aluminiumverkleidung und einer Motivwand des Künstlers Wilhelm Kühn die Assoziationen zur Kosmonautik aufgegriffen, die man etwa auch bei den Bullaugenfenstern im Eingangsgebäude von Walter ­Herzog fand: Die Raumfahrt war bis in die Siebzigerjahre ein oft eingesetztes Motiv, das den Glauben an eine bessere Zukunft durch technischen Fortschritt im Sozialismus illustrieren sollte; der Fernsehturm steht wie kaum ein anderes Gebäude für diese »Sputnik-Ikonografie«. Das Gesamterlebnis des Gaststättenbesuchs, bei dem dank der Drehfunktion das gesamte Panorama der DDR-Hauptstadt in einer Stunde erlebt werden konnte, war bis ins Detail ausgestaltet. Für die ausgewählten Mitarbeiterinnen (es wurden offenbar »ausschließlich junge, hübsche Damen – Durchschnittsalter 25 Jahre« eingestellt) entwarf die Modegestalterin Gerda Wernitz spezielle Kostüme, die an die Kleidung von Flugbegleiterinnen erinnern sollten. Einstellungsvoraussetzung waren zudem Kenntnisse in Englisch, Französisch und Russisch.

Die ursprüngliche Innenausstattung des Restaurants in der Kugel fiel 2013 einer Modernisierung zum Opfer, doch das Raumerlebnis zwischen der atemberaubenden Aussicht durch das Panoramafenster und der erhaltenen künstlerischen Arbeit von Wilhelm Kühn können bis heute täglich Tausende Restaurantbesucher genießen.

Speisesaal 1 der Robotron-Kantine. © Eberhard Wolf, netzwerk ostmodern, www.robotron-kantine.de
Speisesaal 1 der Robotron-Kantine. © Eberhard Wolf, netzwerk ostmodern, www.robotron-kantine.de

 

Wenige Monate vor Eröffnung des Fernsehturms wurde Anfang April 1969 im Rahmen eines zentral eingeleiteten ­Reformprogramms für die Wirtschaft in der DDR der VEB Kombinat Robotron gebildet und mit den Bauarbeiten auf dem späteren Robotron-Gelände in ­Dresden begonnen. Unter diesem Namen, zusammengesetzt aus den Begriffen ­»Roboter« und »Elektronik«, sollte der größte Computerhersteller der DDR und ein bedeutender Produzent von Informationstechnologie im Ostblock entstehen. Rechentechnik und Mikroelektronik galten als zukunftsweisend: Dies sollte durch die Standortwahl in direkter Nähe zur Innenstadt und die Gestaltung des Robotron-Areals unterstrichen werden. Unter der Verantwortung des Architektenkollektivs unter Leitung von Axel Magdeburg und ­Werner Schmidt wurde bis 1974 eine der größten und qualitätsvollsten Baumaßnahmen dieser Zeit in Dresden umgesetzt.

Neben Gebäuden für die ­Kombinatsleitung, Bürobauten sowie dem Rechen­zentrum wurde auf dem Areal am Pirnaischen Platz, eingebettet in die Parklandschaft am Übergang zum Großen Garten, eine großzügige Betriebsgaststätte errichtet. Der Pavillonbau nach Plänen von Herbert ­Zimmer, Peter Schramm und Siegfried Thiel umfasst eine Küche sowie zwei große Speisesäle mit insgesamt 800 Plätzen. Diese Robotron-­Kantine war kein Typenprojekt, sie wurde ­individuell entworfen, um ihre Funktion als Treffpunkt für die Belegschaft des zukunftsweisenden Betriebs zu erfüllen. Den Architekten gelang es, aus den damals verfügbaren vorgefertigten Bauelementen eine eigenständige Architektur zu entwickeln. Architekturhistorisch betrachtet, ist die ­Robotron-Kantine Zeugnis einer Zeit, in der die serielle Vorfertigung als Chance für die Gestaltung wahrgenommen wurde. Erst als die Typisierung ganzer Gebäude in vielen Bereichen zum Standard wurde und individuelle Gestaltungsideen aufgrund der wirtschaftlichen Situation kaum mehr umsetzbar schienen, ließ die anfängliche Begeisterung nach. Die Gestaltung des Robotron-Areals war dagegen noch geprägt von einer Liebe zum Raster, die nicht nur in den konstruktiven Merkmalen, sondern auch in dekorativen Elementen erkennbar war. Betonformsteine schmückten die Fassaden aller Gebäude auf dem Robotron-Gelände. Auch die Brüstungselemente rund um die Terrasse der Betriebsgaststätte wurden aus Betonformsteinen von Friedrich Kracht gefertigt. In den Sälen befinden sich hochwertig verzierte Wandflächen mit Formsteinen von Eberhard Wolf.

In dem markanten und gut zugänglichen Gebäude fanden zudem zahlreiche Kulturveranstaltungen und Feierlichkeiten statt, bei denen das betriebseigene Ensemble mit Musik, Tanz, Kunststücken und Puppen­spiel auftrat. Auch nach Auflösung des ­Robotron-Kombinats 1990 wurde die ehemalige Betriebsgaststätte immer wieder kulturell genutzt: als Diskothek und Tanzbar, als Probebühne der Semperoper, für die ­Zwingerfestspiele oder als ­Tatort-Drehort. Als ein neuer Eigentümer 2016 den Abriss plante, regte sich Widerstand: Netzwerke wie ostmodern.org und ­Industrie.Kultur.Ost setzten sich für den Erhalt ein – als zentral gelegener kultureller Treffpunkt und letzte bauliche Erinnerung an die Geschichte des verschwundenen Kombinats. Die anderen Gebäude auf dem Areal wurden in den vergangenen Jahrzehnten zunächst auf unterschiedliche Weise umgenutzt und zuletzt teilweise (Atrium I und Rechenzen­trum) abgerissen, um neuen Wohnbauten Platz zu machen. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung 2019 im Zusammenhang mit Dresdens Bewerbung als Kulturhauptstadt 2025 den städtischen Erwerb und Erhalt der Kantine beschlossen hatte, lag das Projekt zunächst aufgrund ungeklärter Finanzen brach, da aus der Bewerbung nichts wurde. Seit 2022 nutzt das Kunsthaus ­Dresden im Wechsel mit der Ostrale das Gebäude als Ausstellungsort, was der gegenwärtige ­Projektentwickler und Eigentümer ermöglicht. Aktuell wartet eine Vorlage der Stadtverwaltung zum Ankauf der Kantine für 110.000 Euro auf eine Entscheidung im Dresdner Stadtrat. Noch zögert man, aufgrund der schwierigen Finanzlage.

 

Ehemalige Mensa der Ingenieurhochschule Wismar: Innenaufnahme (oben), die Außenanlage mit Wasserbecken, vermutlich aufgenommen im Jahr 1975 (Mitte), und ein in der Mensa abgehaltenes Konzil (unten). © Hochschule Wismar

 

In der ehemaligen Mensa der Ingenieurhochschule Wismar findet kein studentisches Leben mehr statt. Ihr Standort wurde als zu weit entfernt vom Hochschulcampus angesehen und 2015 eröffnete eine neue Mensa auf dem Campus. Die Alte Mensa war ab 1972 im Rahmen der Planungen für den zu dieser Zeit im Bau befindliche Siedlung Friedenshof als Teil des Wohngebietszentrums errichtet worden. Neben den Hochschulangehörigen aßen dort Schulkinder mehrerer Schulen. Auch eine Milchbar gehörte zum Programm. Um diese unterschiedlichen gastronomischen Angebote effizient zu organisieren, versorgte eine zentral im Gebäude angelegte Küche drei Speisesäle und Gasträume – überdacht von Schirmschalen aus nur sechs Zentimeter dickem Beton, gestaltet und umgesetzt vom Betrieb des Binzer Schalenbaumeisters Ulrich Müther. Die Schalen sind von außen kaum sichtbar, prägen jedoch die Innenräume umso mehr. Der große Saal wird von vier Schalen überdacht. Ein holzverkleidetes Band im Zwischenraum der Schalen mündet in eine Metallgetaltung in der verglasten Fassade, die ursprünglich beleuchtet war. Die Schirmschale der Milchbar zierte eine Bemalung, die auf den vier Seiten der Stütze einen Baum in vier Jahreszeiten abbildete.

Zur künstlerischen Ausgestaltung gehörte laut Beschreibung der Architekten in der Zeitschrift Deutsche Architektur auch ein »farbiges Natursteinmosaik mit technischem Bewegungsspiel«, das »die Einheit von Forschung und Lehre darstellen« sollte, »wobei die plastische Wirkung sich durch die darüber angeordnete Lichtkuppel« erhöhe. Der Architekturentwurf war im Ingenieurhochbaukombinat Rostock, Sitz Wismar, unter Chefarchitekt Arno Claus Martin entstanden. Zum Raumprogramm gehörte auch eine Bunkeranlage, die sich – neben dem zuletzt für Partys genutzten Mensakeller – im Untergeschoss des Gebäudes befindet.  Mit den Partys war es 2018 schließlich vorbei, als die Betriebsgenehmigung seitens der Stadt unter anderem aufgrund von brandschutztechnischen Mängeln nicht verlängert wurde. Mehrere Investoren interessierten sich dafür, das Grundstück zu erwerben – jedoch nicht dafür, das Gebäude zu erhalten. Auch hier waren es Engagierte aus Fachkreisen, die sich für den Erhalt der Mensa einsetzten. Die Wismarer Kammergruppe der Architektenkammer machte auf die Bedeutung und Qualitäten des Bauwerks und auf dessen Potenziale aufmerksam.

Der Name Müther war und ist insbesondere an der Wismarer Hochschule nicht unbekannt, denn dort wird seit 2006 der berufliche Nachlass des Bauingenieurs und Unternehmers aufbewahrt. Ab 2017 konnte dieser in einem geförderten Projekt archivarisch erschlossen und in eigens dafür eingerichtete Räume überführt werden. Hier liegen Zeichnungen der materialsparenden und hochwertigen Schalenkonstruktionen und so lässt sich nachweisen, dass es mehrere Gaststätten mit Schirm- oder Pilzschalen von Müther in der DDR gegeben hat. Die Wismarer Mensa ist ein gut erhaltenes Beispiel. Im Jahr 2020 kaufte schließlich die Wismarer Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) das Objekt. Sie plant, das Gebäude für eigene Büros zu nutzen. Anstelle der zentralen Küche soll ein Lichthof entstehen, der Raumeindruck unter den Schirmen weitgehend erhalten bleiben. Wie mit der baugebundenen Kunst umzugehen ist, die sich in Form weiterer Metallgestaltung im Außenraum fortsetzt, wird in Abstimmung mit der Denkmalpflege zu entscheiden sein. Nachdem die Wobau das Gebäude erworben hatte, stellte das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern die Wismarer Mensa unter Denkmalschutz. Der Baubeginn für die Sanierungsarbeiten ist aktuell für 2024 avisiert.  

Für die von 1973 bis 1976 erbaute Mensa der Universität Greifswald schuf Wolfgang Frankenstein das fünfteilige Wandbild Studenten in der so­zia­listischen Gesellschaft. © Martin Maleschka

 

Vielseitig genutzt und damit als prägender Ort präsent im Gedächtnis vieler, die in Greifswald und Umgebung ihre Jugend verbracht haben, ist die dortige Mensa am Schießwall. Seit 1993 sorgte der Mensaclub als größter Studentenclub der Stadt hier regelmäßig für Programm mit Konzerten, Partys und Filmnächten. Mittlerweile wird die Mensa als Alte Mensa bezeichnet, denn auch in Greifswald gibt es auf dem neuen Universitätscampus eine neue Mensa. Doch das 2014 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude soll auch nach der Sanierung wieder für die Angebote des Vereins Mensaclub zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll die Mensa »zu einem zentralen Kommunikations- und Koopera­tionspunkt für Start-ups, für die IT- und Kreativszene sowie für bestehende Unternehmen, Handwerk und weitere Bereiche« entwickelt werden, wie das verantwortliche und von der Stadt sowie der Universität getragene Wissenschafts- und Technologieunternehmen erklärt. Am Rande der historischen Altstadt, direkt an einem der wichtigsten Eingänge zur Innenstadt gelegen, soll nun im Rahmen einer Landesinitiative ein »Innovationszentrum« in der Alten Mensa entstehen. Nach einer finanzierungsbedingten Projektverzögerung ist die Fertigstellung aktuell für 2027 geplant. Der moderne zweigeschossige Stahlbetonskelettbau mit markanter roter Fassade wurde von Ulrich Hammer nach einem Konzept von Ulf Zimmermann entworfen und 1975 eröffnet. Im Keller soll sich die zen­trale Leitstelle der Zivilverteidigung befunden haben. Beeindruckend ist die reiche künstlerische Ausstattung des Gebäudes: Das 22 Meter lange Wandbild Studenten in der sozialistischen Gesellschaft im Eingangsfoyer stammt von dem Künstler Wolfgang ­­Frankenstein. Die Bierstube wurde mit Arbeiten von Studierenden aus Keramikzirkeln ausgestaltet. Treppenhaus und Milchbar zierten die Werke mit regional inspirierten Motiven Ostsee und Mecklenburger Trachten, die in den Emaillezirkeln Fritz Kühn und Lea Grundig entstanden waren.

Ebenfalls von Ulf Zimmermann stammt der Entwurf für die von 1968 bis 1972 errichtete Mensa der Hochschule Ilmenau in ­Thüringen. Auch diese Mensa steht als erster Bau eines an der TU Dresden entwickelten Typenprojektes seit 2011 unter Denkmalschutz. Das Büro AGZ, mittlerweile übernommen von Zimmermanns Sohn Norbert, beschreibt die gestalterische Wirkung in den Referenzen: »An der Fassade kontrastieren die dunkelbraunen Stahlprofile der Obergeschosse zu den weiß gespritzten Alu-Color-Lamellen an den Brüstungs- und Simsblenden.« Die äußere Erscheinung soll bei der 2021 begonnen Sanierung »so originalgetreu wie möglich nachempfunden« werden. Im Inneren grenzen sich die verschieden großen Speiseräume durch ihre Gestaltung klar von­einander ab und erzeugen unterschiedliche Raumerlebnisse. Die Milchbar und Imbisstheke separierten die Architekten durch eine räumliche Zonierung: »fest im Fußboden verankerte Tische und Sitze mit roten Bezügen sind vor der Imbisstheke angeordnet, grau bezogene Stühle und bewegliche Marmortische charakterisieren den dahinterliegenden Raumbereich der Milchbar. Rudi Sittes hinterleuchtete Wandgestaltung aus farbigen Glaskörpern an der Stirnwand bildet ein weiteres einprägsames Element der innenräumlichen Ausformung.« Eine Reliefwand von Rudolf Sitte und ­Dieter Graupner mit dem Titel ­positiv im Innenraum verbindet abstrakte Formen mit Personendarstellung, während die Relief­wand der beiden Künstler im Außenraum vollständig abstrakt gehalten ist. Als  Mitbegründer der Künstlergenossenschaft  Kunst am Bau und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, der über baugebundene Kunst lehrte, schuf Rudolf Sitte zahlreiche, häufig plastische Wandgestaltungen für öffentliche Innenräume.

 Mensa der Technischen Hochschule Ilmenau. © AGZ

 

So auch 1984 die Wandgestaltung Elektronische Funktionselemente aus farbig lackierten Holzflächen für die Mensa der Ingenieurhochschule im sächsischen ­Mittweida. Die großformatigen Wandgestaltungen sind in vielen Speisesälen die letzte materiell erhaltene und sichtbare Erinnerung an die Erbauer und ihre Arbeit. Mo­saike des Künstlers Lothar ­Zitzmann aus dem Jahr 1972 zieren beispielsweise den ansonsten komplett umgestalteten Speisessal im ehemaligen Werk II des VEB Carl Zeiss Jena. Im ehemaligen Speisesaal des Verkehrskombinats in der Waliner Straße in Neubrandenburg, heute genutzt vom Tanzclub Tollensetal, ist noch die auf 1978 datierte Malerei  Volksfest von Erhard Großmann zu finden.

Insbesondere die gastronomische Nutzung stellt oft hohe funktionelle, hygienische und ökonomische Ansprüche, die den Erhalt der historischen Gestaltung erschweren können. Selbst wenn es gelingt, die häufig vielseitig genutzten Speisesäle und Gaststätten zu bewahren, sogar denkmalpflegerisch zu untersuchen und zu schützen, ist es schwer, den Erhalt der Originalsubstanz und der ursprünglichen Nutzung gleichzeitig möglich zu machen. Speisesäle, die inzwischen vorwiegend als kulturelle Orte genutzt werden, können durch die geringeren baulichen Anforderungen oft mehr von ihrem Charme konservieren. Die aufgeführten Beispiele aus Dresden und Berlin zeigen, wie wichtig die öffentliche Diskussion über den Wert von Architektur ist, um vorhandene Qualitäten sichtbar zu machen und erlebbar zu halten.

 

DINA DOROTHEA FALBE ist Architektin, Autorin in Berlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Müther-Archiv an der Hochschule Wismar. Das Architekturerbe der DDR ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. Foto: privat

 

 

Zwischenstopp in Montréal

Heike Maria Johenning ist Autorin unseres kürzlich erschienenen Architekturführers Montréal. Kanadas zweitgrößte Stadt kennt sie seit mehr als 20 Jahren. Hier führt sie zu Moshe Safdies Habitat 67 und zu Inuit-Kunst – immer mit Leonard Cohens Songs im Ohr.

 

Text: Heike Maria Johenning
Foto: Appartements Bishop Court (John Smith Archibald und Charles Jewitt Saxe, 1904), im Hintergrund eine Wandmalerei, die Leonard Cohen zeigt. © Johenning 

 

Das erste Mal habe ich die Stadt 2002 besucht, als ich einige Monate lang als Französisch-Übersetzerin für VIA Rail Canada arbeitete. Mir gefiel auf Anhieb die etwas disparate Mischung aus europä­ischen Baustilen, extravaganten Kirchen, schmalen Gassen und amerikanischen Hochhäusern vor der Kulisse des einst größten Binnenhafens Nordamerikas. Das 1642 gegründete Montréal hat mit seinen historischen Brüchen und seiner weltläufigen Zweisprachigkeit Ähnlichkeit mit Berlin, wo ich – aufgewachsen in der Nähe von Gütersloh – seit 17 Jahren lebe.

First We Take Manhattan. Ein Montréal-Besuch beginnt unweigerlich in der Altstadt; in Vieux-­Montréal schlendert man vorbei an historischen Gebäuden und Pop-up-Boutiquen. Ich trinke gern einen Aperol Spritz auf der Terrasse Nelligan (106, rue Saint-Paul O., 5. Etage). Vom nahen Bota-Bota-Wellness-Schiff, das im Sankt-Lorenz-Strom vor Anker liegt, blickt man auf die Brutalismus-Siedlung ­Habitat 67 von Moshe ­Safdie. Die gegenüber der Altstadt gelegene Île Ste-Hélène gehörte 1967 zum Ausstellungsgelände der Expo. Aus der Zeit sind noch einige Relikte zu finden, wie etwa die ­Biosphère von Buckminster Fuller, in der heute ein Umweltmuseum untergebracht ist.

Hallelujah. In Montréal kann man sehr gut essen! Für das Québequer Nationalgericht Poutine – obwohl auf Französisch genauso geschrieben, hat die Kombination aus Pommes, Käse und Bratensauce nichts mit dem russischen Präsidenten zu tun – empfehle ich das von Donnerstag bis Samstag 24 Stunden geöffnete Chez Claudette (351, Laurier Ave E). Inzwischen gibt es Poutine etwa auch mit Guacamole oder Hummer, aber ich mag die klassische Variante am liebsten. Ein neuer kulinarischer Hotspot ist der Time Out Market im Centre Eaton (705, Saint-Catherine St W). Dort kochen auf 40.000 Quadratmetern an kleinen Ständen die besten Köche der Stadt. Der letzte Schrei: ­Sconuts, eine Mischung aus Scones und Donuts. Ende des Jahres wird das Eaton Restaurant im neunten Stock (Le 9e), eine Art-déco-Ikone von 1931, nach 24 Jahren wiedereröffnet!

True Love Leaves No Traces. Wenn Sie in ­Montréal nur in ein Museum gehen können, dann sollte es das Musée des Beaux-Arts (1380, Sherbrooke St W) sein, das in Nordamerika seines­gleichen sucht: Es lohnt schon allein wegen der Inuit-Kunst und der abstrakten Gemälde von Jean-Paul Riopelle. Danach sollte man Leonard Cohen einen Besuch abzustatten – beziehungsweise dem Konterfei des 2016 verstorbenen Songwriters, einem 300 Quadratmeter großen Streetart-Gemälde in der Rue Crescent. Weil ich Cohen verehre, habe ich mich kürzlich auch auf den Weg zu seinem Grab auf dem Friedhof Mont-Royal (1297, Foret Rd) gemacht. Da dort sehr viele Cohens begraben liegen, war es gar nicht so leicht zu finden, ein Friedhofsgärtner musste mir helfen. Gleich nebenan befindet sich der größte bewaldete Park der Stadt. Sieben weitere Fans und ich standen an der betont bescheidenen, nur mit einem Fedorahut geschmückten Grabstätte, und wir alle hatten dabei vermutlich einen von Cohens Songs im Ohr.

 

HEIKE MARIA JOHENNING, Jahrgang 1968, ist Dolmetscherin für Französisch und Russisch. Als Autorin veröffentlichte sie vor Jahren den ersten deutsch­en Reise­führer zu Montréal. Bei DOM publishers erschienen von ihr schon Bücher zu Baku, Kiew, Tiflis, Krakau und Sankt Petersburg. Foto: privat

 

"Nichts ist nachhaltiger als dicht besiedelte urbane Räume"

Städte, die auf Menschen zugeschnitten sind – das ist das zentrale Anliegen von Karsten Pålsson. Hier spricht der Autor unseres Buchs Urban Block Cities über das Ideal der Blockrandbebauung, seine Heimatstadt Kopenhagen und den Wiederaufbau in der Ukraine.

 

Interview: Björn Rosen
Foto: Pålsson in seinem Kopenhagener Büro© palssonurbanism.com 

 

Herr Pålsson, Ihre Heimatstadt ­Kopenhagen spielt eine zentrale Rolle in Ihren Büchern. Inwiefern hat sie Ihren Blick auf Urbanismus geprägt?

Ich bin im Zentrum von Kopenhagen aufgewachsen, in einem Stadtteil, dessen Bebauung um 1900 in Anlehnung an ähnliche Viertel in Berlin oder Wien entstand. Ein wunderbarer Ort, der Nähe und Distanz verbindet. Man hat dort seine Privatsphäre, aber wenn man auf die Straße hinaustritt, wird man zum Teilnehmer am öffentlichen Leben, lernt, mit unterschiedlichsten Menschen umzugehen. Die Wege sind kurz: Ich konnte mit dem Fahrrad zur Schule fahren und die Straßenbahn brachte einen schnell überallhin. Zwar waren die Hinterhöfe in meiner Kindheit schmutzig und dunkel, aber im Zuge der Stadterneuerung hat man sie in den 1990er Jahren begrünt. Auch in den 1920er und 1930er Jahren, als sich Europas Großstädte stark entwickelten, gab es beispielhafte Projekte: größere Stadtblöcke, die von Beginn an grüne Innenhöfe besaßen.

Kritiker könnten Ihnen vorwerfen, rückwärtsgewandt zu sein.

Das ist ein Irrtum. Wir reden heute viel über Nachhaltigkeit: Nichts ist nachhaltiger als dicht besiedelte urbane Räume. Die Viertel, über die ich eben sprach, sind es schon allein deshalb, weil es sie mehr als 100 Jahre nach ihrer Errichtung und trotz unterschiedlichster Nutzung über die Jahrzehnte immer noch gibt und sie nach wie vor sehr populär sind. In einer Stadt wie Berlin zieht es die Menschen in Stadtteile mit dichter Blockrandbe­bauung wie Prenzlauer Berg und Friedrichshain, Plattenbauquartiere sind trotz Sanierung wenig populär. Ich spreche mich auch nicht gegen moderne Architektur aus. Moderne Architekten sind sehr gut darin, Orte zum Leben zu schaffen, aber nicht daran interessiert, eine dichte Stadt zu bauen.

Was ist für Sie ein positives Beispiel für Stadtentwicklungsprojekte jüngerer Zeit?

Sluseholmen, ein Viertel im Süden Kopenhagens, wo sich einst Hafenanlagen befanden. Die Entwicklung dort begann im Jahr 2000. Heute ist das eine urbane Siedlung am Wasser mit vier- bis sechsgeschossigen Gebäuden und begrünten Höfen, Hochhäuser gibt es keine. Die Architektur ist sehr abwechslungsreich. Hinzu kommen Wasserstraßen, Gassen und Plätze. Ein gelungenes Viertel zeichnet sich dadurch aus, dass man nicht nur komfortabel in seinen Häusern wohnen, sondern dort auch einen interessanten Spaziergang machen kann.

Kopenhagen steht in diesem Jahr als Welthauptstadt der Architektur inter­national im Rampenlicht. Ihr Bezugspunkt ist der europäische Städtebau – lassen sich dessen Prinzipien auf andere Teile der Welt anwenden?

Ich denke, dass es ein universelles Bedürfnis gibt, ein Zuhause, ein Gefühl lokaler Zugehörigkeit und sichere Straßen zu haben. Die europäische Stadttradition ist insofern einzigartig, als sie offene Fassaden in Richtung der öffentlichen Straßen besitzt. Die Tradition in Lateinamerika beispielsweise sieht anders aus, dort gibt es "geschlossene" Häuser mit privaten Innenhöfen. In dieser Hinsicht, denke ich, hat die europäische Tradition anderen Kulturen durchaus etwas zu bieten.

Innerhalb der Reihe Histories of ­Ukrainian Architecture, die DOM publishers in Reaktion auf den russischen Angriff im ­Februar 2022 aufgelegt hat, erscheinen Ihre zwei Bücher zur Stadtplanung nun auch auf ­Ukrainisch. Was erhoffen Sie sich davon?

Dass sie Inspiration sind für Bürger, Architekten und Politiker in der Ukraine. In meinem zweiten Buch Urban Block Cities findet sich etwa eine Entwurfsskizze, die ich für ein neu zu bebauendes Gebiet in Kopenhagen angefertigt habe. Solche Beispiele könnten beim Wieder­aufbau zerstörter Städte helfen. Im neuen Kulturzen­trum Ukrainian House in Kopenhagen habe ich gelernt, dass die Ukrainer schon seit vielen Jahren gegen den Einfluss von Oligarchen und für mehr Demokratie in Entscheidungsprozessen und eine menschengerechtere Stadtplanung kämpfen. Mich hat das in meiner Auffassung bestärkt, dass meine Thesen in der Ukraine von Interesse sein könnten: In den kommenden Monaten und Jahren werden dort viele Architekten aus dem Westen vorstellig werden. Ich sehe die Gefahr, dass dann überall schön gestaltete Enklaven entstehen, gated communities, aber kein gelungener Urbanismus.  

Wie kann dies aus Ihrer Sicht verhindert werden?

Meine Botschaft lautet: Die Ukraine sollte sich darauf konzentrieren, eine öffentliche Stadtplanung zu eta­blieren, eine Kombination aus zentraler Planung und Bürgerbeteiligung. Im Mittelpunkt sollte zunächst immer der öffentliche Raum mit Straßen, Plätzen und Monumenten stehen. Natürlich ist das eine große Herausforderung. Aus eigener Erfahrung in Dänemark weiß ich, dass wirtschaftliche Interessen oft alles andere in den Hintergrund treten lassen. Ich hoffe, die Ukrainer können manches besser machen als wir.

 

KARSTEN PÅLSSON, Jahrgang 1947, ist als Architekt auf die Themen Stadterneuerung, Nachverdichtung, Instandhaltungsplanung sowie auf die Umgestaltung von Wohnblöcken und anderen Gebäuden spezialisiert. Er war als Berater unter anderem für das dänische Ministerium für Wohnungswesen und städtische Angelegenheiten tätig. Mehr auf seiner Website: palssonurbanism.com

Garbatella: Die schillernde Geschichte des römischen Viertels

Seit sechs Monaten ist Giorgia Meloni italienische Ministerpräsidentin. Aufgewachsen ist die umstrittene Politikerin in Garbatella, im Süden Roms. Das Arbeiterquartier hat eine schillernde Geschichte: Es entstand in der Zeit des Faschismus – und gilt als linke Hochburg.

 

Text: Damien Leaf
Foto: Das Teatro Palladium (1926/27, Innocenzo Sabbatini) gehört heute zur Universität Roma Tre. © Creative Commons/Sergio D’Afflitto

 

»Ich stamme aus Garbatella, manchmal kommt diese Seele durch«, hat ­Giorgia Meloni, seit Oktober 2022 Ministerpräsidentin von Italien, einmal gesagt. Damit wollte die 45-Jährige ihren oft unbeherrschten, rüpeligen Ton erklären. Garbatella ist ein landesweit bekanntes ­Arbeiterviertel im Süden der italienischen Hauptstadt Rom. Die Politikerin wuchs dort ab ihrem dritten Lebensjahr auf. Dass Meloni, Vorsitzende der rechtsnationalen Fratelli d’Italia – manchmal wird die Partei auch als postfaschistisch klassifiziert, weil ihre Vorgängerorganisationen offen auf den Faschismus Bezug nahmen –, ausgerechnet aus diesem Stadtteil kommt, sei »eine Ironie der Geschichte, aber zugleich schlüssig«, schreibt die Süddeutsche Zeitung.

Tatsächlich ist die Entstehung des Quartiers eng mit dem diktatorischen Regime von Benito Mussolini verbunden. 1920 gegründet, wurde Garbatella zunächst nach den Prinzipien der Gartenstadtbewegung gestaltet: niedrige Häuser und viel Platz, um zum Beispiel Gemüse und Obst anzubauen. Unter den Faschisten, die 1922 die Macht übernahmen, änderte sich das: Sie setzten stark auf den Bau von Wohnungen. Dieser war nicht zuletzt nötig geworden, weil ­Mussolini auf der Suche nach antiker imperialer Größe die Altstadt Roms freilegen ließ und viele Leute dadurch ihre Bleibe verloren.

Garbatella, gelegen in Nachbarschaft zu den Industriebetrieben von Ostiense, wurde nun verdichtet: Große Wohnbauten entstanden, aber auch Schulen, Theater, eine Badeanstalt.  Die Abrissbetroffenen aus der Altstadt zogen Ende der Zwanzigerjahre in »Alberghi ­ suburbani«. Ursprünglich nur als Übergangslösung mit gemeinsamen Küchen, Speisesälen und Kindereinrichtungen gedacht, wurden ihre Innenräume schließlich zu abgeschlossenen Wohneinheiten umgestaltet. Diese eindrucksvollen, in unterschiedlichen Farben gehaltenen Komplexe nach Entwürfen von Innocenzo Sabbatini (1891–1983) sind die bekanntesten Gebäude des Viertels und in ihrem Stil schwer einzuordnen.

Charakteristisch für ­Garbatella ist seine bauliche und städtebauliche Vielfalt. »In der ersten Hälfte der faschistischen Herrschaft hatten die Architekten relativ viel Freiraum, für diese Zeit sind auch regionale Stile prägend«, sagt Sozialwissenschaftler und Stadtplaner Harald Bodenschatz, dessen Standardwerk Städtebau für ­Mussolini nun in einer erweiterten Neuauflage erschienen ist. »Unser Bild faschistischer Architektur ist von der späten Phase mit seiner nationalen Einheitsarchitektur geprägt.«

Das bauliche Erbe des Viertels führte jedoch nicht dazu, dass dieses zu einer Hochburg der Rechten wurde. Im Gegenteil. Lange galt ­Garbatella als ausgesprochen links. ­Melonis politische Ideen – mit 15 Jahren trat sie der Jugendorganisation des neofaschistischen Movimento Sociale Italiano bei – entstanden wohl in Abgrenzung zu ihrer Umgebung, in der sie eine Kindheit und Jugend mit Härten durchlebte. Trotzdem spricht sie mit Nos­talgie von dem Quartier, vielleicht auch zur Selbstinszenierung. Garbatella dominieren bis heute Sozialwohnungen. »Zugleich gibt es Anzeichen einer Gentrifizierung«, sagt Bodenschatz. Der Guardian wählte es gar zu einem der »zehn coolsten Viertel Europas«.

Unsere verlegerische Antwort auf den Krieg

Vom multiethnischen Erbe Osteuropas bis zum Wiederaufbau nun zerstörter Städte: Mit unserer neue Reihe Histories of Ukrainian Architecture wollen wir ukrainischen Forschern, Architekten, Stadtplanern und Autoren international eine Stimme geben.

 

Foto: Nataliia Mysak, Architektin und Stadtforscherin aus dem westukrainischen Lwiw, wird in der neuen Reihe das Buch Large Housing Estates in Ukraine veröffentlichen. © Philipp Meuser

 

In Reaktion auf den russischen Angriff im Februar 2022 hat DOM publishers das Programm Histories of Ukrainian Architecture ins Leben gerufen. In Kürze werden wir nun die ersten Bücher dieser neuen Reihe, die als Teil unserer Grundlagen erscheinen, veröffentlichen. Dazu gehören Titel, die sich mit dem multiethnischen Erbe Osteuropas oder den Bauten aus der Sowjetzeit auseinandersetzen, ebenso wie solche, die den Wiederaufbau jetzt zerstörter Städte ins Auge fassen. Einige der Bücher erscheinen auf Deutsch und Englisch, andere auf Ukrainisch. Unser Ziel: Ukrainischen Autoren außerhalb ihres Heimatlandes mehr Gehör zu verschaffen, das Wissen über die Architekturgeschichte zu erweitern und die Souveränität der Ukraine zu stärken. Darüber hinaus werden in der preisgekrönten Reihe der Architekturführer Titel über Kyjiw und Charkiw (jeweils auf Englisch und Ukrainisch) veröffentlichen. Sie ergänzen zwei Bücher, die wir bereits vor einigen Jahren herausgebracht haben: einen deutschsprachigen Architekturführer zur ukrainischen Hauptstadt und einen Band zur baubezogenen Kunst von 1960 bis 1990.

Industrieller Wohnungsbau in der DDR: Buchpräsentation und Diskussion in Dresden

Zu Gast im Kulturpalast: Am Donnerstag, 16. Februar, stellen wir unser Buch Vom seriellen Plattenbau zur komplexen Großsiedlung in Dresden vor.

 

Foto: Acht- bis elfgeschossige Wohnbauten mit Funktionsunterlagerung am Heinrich-Heine-Platz in Berlin, Perspektive. Die Projektierung erfolgte durch den VEB Baukombinat Leipzig (1987). © Architektur der DDR, Heft 1 /1988

 

Wir laden Sie herzlich ein zu unserer Buchpräsentation am Donnerstag, 16. Februar, mit anschließender Diskussion über den neuen DOM publishers-Titel Vom seriellen Plattenbau zur komplexen Großsiedlung. Als Moderator des Abends haben wir den ehemaligen Dresdener Oberbürgermeister Dr. Ingolf Roßberg gewinnen können. Gemeinsam mit Ihnen wollen wir sprechen über das baukulturelle Erbe des sozialistischen Wohnungsbaus und dessen heutige Bedeutung.

 

Das Programm

Dr. Ingolf Roßberg, Oberbürgermeister a. D., Dresden – Moderation

Prof. h. c. Dr. Philipp Meuser, Architekt und Autor, Berlin – Thematische Einführung und Buchpräsentation

Dr. Jörg Blobelt, Architekt und Ko-Autor, Dresden – Zum Erbe des DDR-Wohnunsgbaus

Uta Lambrette, Architektin und Architekturkritikerin, Dresden – Ein kommentierender Zwischenruf

 

Der Veranstaltungsort

ZfBK – Zentrum für Baukultur Sachsen im Kulturpalast Dresden

Schloßstraße 2, 01067 Dresden, Eingang über Galeriestraße

Der Eintritt ist kostenfrei. Beginn der Veranstaltung ist 19.00 Uhr.