
Rudolf Hamburger: ein Architektenleben in Bildern
Poelzig-Schüler, Exilant, Spion: Unser neues Buch Architekt im Widerstand. Rudolf Hamburger im Netzwerk der Geheimdienste rekonstruiert das filmreife Leben des deutschen Architekten (1903–1980). Hier zeigen wir sechs Fotografien aus dem Nachlass der Familie Hamburger.
Foto: Victoria Nurses' Home Shanghai, Rudolf Hamburger (1933), © Nachlass R. Hamburger
Auf dem ersten Bild sieht man den jungen Rudolf Hamburger in der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre. Der gebürtige Schlesier lebte damals in Berlin, wo er an der Technischen Hochschule bei Hans Poelzig studierte. In Dresden, wo er zuvor studiert hatte, traf er Richard Paulick, der ein guter Freund wurde.
Auf nach China! Im Jahr 1930 verließ Rudolf Hamburger das von der Weltwirtschaftskrise gebeutelte Deutschland. Er heuerte als Architekt beim "Shanghai Municipal Council" an, der Verwaltung des International Settlement. Die chinesische Metropole erlebte damals einen Bauboom. Hamburger schuf dort einige seiner wichtigsten Bauten – und wurde zu seinem Wegbereiter moderner Architektur in China. Sein Victoria Nurses' Home, ein Wohnheim für etwa 100 Schwestern, gehörte einst zum britischen Country Hospital und ist heute Bettenhaus des Huadong Hospital.
Schicksalhafte Verbindung: Ende der Zwanzigerjahre hatte Hamburger Ursula Kuczynski geheiratet, hier ein Foto aus glücklichen Zeiten. Beide stammten aus jüdisch-bürgerlichen Familien. Doch während Hamburger konservativ geprägt war, neigte seine Frau schon in frühen Jahren linken Ideen zu. In Shanghai ließ sie sich von Meisterspion Richard Sorge für die GRU, den Nachrichtendienst der sowjetischen Armee, anwerben. Ihre Missionen verschlugen sie bald in die Mandschurei, in die Schweiz, nach Polen; manchen gilt sie als "Stalins beste Spionin". Die Ehe mit Hamburger zerbrach, doch bald würde auch der Architekt selbst für die GRU arbeiten.
In Diensten der Sowjets: Ende der 1930er Jahre hatte Rudolf Hamburger – unter dem Eindruck der weltpolitischen Lage – selbst bei der GRU angeheuert. In der Zwischenzeit lebte er wieder in Europa. Im Frühjahr 1939 entsandte ihn der Geheimdienst nach China, das nicht nur von den Japanern angegriffen worden war, sondern wo auch Kommunisten gegen Nationalisten kämpften. Hamburger reiste zunächst nach Singapur und von dort über Land bis nach Shanghai. Sein Aquarell einer Landschaft mit Tempel nahe Lampang, Siam, entstand im Mai 1939.
Zwischen allen Fronten: Die Spionagetätigkeit für die GRU führte Rudolf Hamburger Anfang der Vierzigerjahre nach Teheran. 1942 nimmt er dort eine Arbeit als Architekt im Industrieministerium auf. Er zieht die Aufmerksamkeit von Amerikanern und Briten auf sich, wird inhaftiert. Als er schließlich nach Moskau ausreisen kann, wirkt das wie eine Befreiung. Doch die Sowjets verdächtigen ihn nun, ein Doppelspion zu sein. Hamburger wird die nächsten Jahre in Haft, im Lager und in der Verbannung verbringen. Erst 1955 darf er wieder nach Deutschland – in die DDR. Das Foto zeigt ihn nach seiner Rückkehr in der Stalinallee. Die Dachterrasse gehört zur Wohnung seines alten Freundes Richard Paulick, nun ein wichtiger Architekt im kommunistischen Osten Deutschlands und selbst an den Entwürfen für die Stalinallee beteiligt.
Als Architekt wirkt Rudolf Hamburger in der DDR vor allem beim Aufbau der "zweiten sozialistischen Stadt" Hoyerswerda: Dort entstehen in Großblock- und Plattenbauweise Wohnungen für Arbeiter der Braunkohleindustrie. Hier sieht man ihn 1960 vor einem Plan der neuen Stadt. Die Schriftstellerin Brigitte Reimann lässt sich von dem Architekten für ihren Roman "Franziska Linkerhand" inspirieren. Und auch Hamburgers Ex-Frau Ursula – inzwischen als Schriftstellerin Ruth Werner bekannt – veröffentlicht 1977 unter dem Titel "Sonjas Rapport" einen autobiografischen Roman – in der DDR ein Bestseller. Hamburger ist unglücklich über das Buch, das an alte Wunden rührt. Drei Jahre später stirbt er. Erst 1990, im Zuge von Glasnost und Perestroika, wird man ihn in Moskau rehabilitieren.