
Unsere Mitarbeiter: Kyung Hun Oh, Übersetzer
Der 31-jährige überträgt bei DOM publishers Texte ins Englische. Die deutsche Sprache, sagt Oh, könne ein "ein großer Kreis" sein. Architekturkritikern empfiehlt er, das Wort "vermitteln" sparsamer zu verwenden.
Text: Björn Rosen
Foto: © DOM publishers
Gute Übersetzer erkennt man vermutlich an ihren Fragen. Jene, die Kyung Hun Oh manchmal seinen Kollegen stellt, lösen Verblüffung oder sogar längere Diskussionen aus. Gibt es einen Unterschied zwischen den Worten „Konstruktionsart“ und „Bauweise“? Oder: Wie vernichtend ist die Formulierung „geistige Kurzatmigkeit“ eines Architekturkritikers gemeint? Selbst für die deutschen Muttersprachler im Berliner Verlagshaus ist das schwer zu beantworten. Die Fragen zeigen die immense Herausforderung von Ohs Arbeit – und zugleich den hohen Anspruch und die Präzision, mit denen er sich dieser nähert.
Kyung Hun Oh übersetzt bei DOM publishers seit zwei Jahren Manuskripte vom Deutschen ins Englische. Immer geht es um Architektur, doch manche Texte sind sehr technisch, andere sehr theoretisch. Zehn Bücher hat Oh bisher für den Verlag übersetzt, darunter schon drei Mal das Deutsche Architektur Jahrbuch und zuletzt Radikal normal, eine Sammlung von Aufsätzen des Architekten Vittorio Magnago Lampugnani.
Wenn er spricht, hört man Ohs unverkennbar britischen Akzent. Aufgewachsen ist der Sohn koreanischer Eltern im Großraum London, er hat aber auch schon in den USA und Spanien gelebt. Das erste Mal mit der deutschen Sprache in Kontakt kam er, als er als Teenager einige Jahre in Frankfurt am Main verbrachte: An der internationalen Schule, die er dort besuchte, war Deutsch Pflichtfach. Während seines Studiums der englischen Literatur in Cambridge las er später auch deutsche Lyrik und Theaterstücke.
Seit viereinhalb Jahren lebt Kyung Hun Oh nun in Berlin, wo er zunächst für eine Übersetzungsagentur arbeitete. „Englisch ist relativ geradlinig, man geht in eine Richtung, Deutsch kann ein großer Kreis sein“, sagt er. Seinem sezierenden Blick entgehen auch die allzu populären Worte in der deutschen Architektursprache nicht: „Aufenthaltsqualität“, „Rückzugsbereich“, „vermitteln“, um nur drei Beispiele zu nennen. „Es gab sogar mal ein Architekturbüro, das über den Zaun um ein Gebäude schrieb, dieser vermittle zwischen dem Außenbereich und dem Privaten“, sagt Oh. „Ich habe das Gefühl, einige Autoren werden von ihrem Wunsch abgelenkt, sehr schön zu schreiben. Manchmal genügt es, zu sagen, es gibt vier Wände und ein Dach, das ist völlig okay.“ Als Beispiel dafür, wie man auf gelungene Weise über Architektur schreibt, nennt er den Guardian-Kritiker Oliver Wainwright, Jane Jacob und Richard Sennett.
Übrigens: Kyung Hun Oh ist mitverantwortlich für die englische Ausgabe des DOM magazine. Und auch diesen Text, den Sie nun zu Ende gelesen haben, hat er ins Englische übersetzt.