
Unsere Autoren: Andreas Wenning, Baumhaus-Spezialist
Seit der Corona-Pandemie ist er noch gefragter als zuvor: Der gelernte Tischler und studierte Architekt aus Bremen entwirft weltweit einzigartige Räume. Nah an der Natur – und in luftiger Höhe. Nun ist die vierte, erweiterte und aktualisierte Auflage seines erfolgreichen Buchs Baumhäuser erschienen.
Text: Björn Rosen
Foto: © Andreas Wenning
Es begann 2003 zwischen zwei Buchen. Andreas Wenning war damals oft zu Besuch bei Freunden, die im niedersächsischen Bassum eine Landkommune gegründet hatten. »Ich habe mir da einfach einen Ort gewünscht, oben in den Bäumen, wo ich sein kann«, erinnert sich der 55-Jährige. Den Begriff Baumhaus hatte er gar nicht im Sinn, »weder hatte ich mir entsprechende Literatur angeschaut noch mich an Vorbildern orientiert«. Wenning schuf schließlich einen bootsähnlichen Raum aus Holz, knapp acht Quadratmeter groß, plus Terrasse, der zwischen den zwei Stämmen an Stahlseilen und Textilgurten aufgehängt wurde.
Dieses Baumhaus Plendelhof gibt es noch immer: In neun Metern Höhe blickt man von dort auf die Baumkrone und die umgebende Wiesenlandschaft. Wenning nennt es »den Prototyp«. Denn heute, 18 Jahre später, ist er als Architekt auf Baumhäuser spezialisiert – und weltweit gefragt. Mehr als 80 Projekte hat er mit seinem Büro Baumraum schon realisiert, in gut einem Dutzend unterschiedlicher Länder. Erfreuen sich professionell geplante Baumhäuser schon seit zwei Jahrzehnten zunehmender Beliebtheit, vermutlich weil die Menschen Nähe zur Natur suchen, so ist die Nachfrage mit der Pandemie weiter gestiegen. »Besonders im Bereich Baumhaus-Hotels. Viele gehen davon aus, dass die Leute künftig mehr regional verreisen, aber eben ein besonderes Erlebnis suchen.« Wennings Buch Baumhäuser erscheint jetzt bereits in der vierten Auflage – aktualisiert unter anderem um das Projekt Black Crystal in den Catskill Mountains nördlich von New York, das mit seiner Fassade aus dunklen Blechen wie ein Edelstein zwischen den Laubbäumen schimmert. Es ist auch auf dem Cover zu sehen.
In den USA hat der Architekt schon häufiger gearbeitet, die Begeisterung für Baumhäuser sei dort vielleicht noch größer als anderswo. »Das hat kulturelle Gründe. Historisch sind die Amerikaner Landeroberer, robuste Leute, die in der Natur leben und ihre Freiheit lieben.« Mit den USA verbindet Wenning aber auch prägende Erinnerungen aus seiner Jugend. Nach dem Zivildienst reiste er vier Monate allein durchs Land – nicht zuletzt ein Crashkurs, um sein Englisch zu verbessern.
Andreas Wenning stammt aus Weinheim an der Bergstraße und lernte nach der zehnten Klasse zunächst Tischler. Ein Baumhaus besaß er zwar nie als Kind, aber Basteln, Bauen und die Natur lagen ihm seit jeher. Nachdem er das Abitur nachgeholt hatte, führte ihn das Architekturstudium nach Bremen, wo er noch immer lebt.
Natürlich ist die Expertise als Tischler eine solide Grundlage für seine Spezialisierung, und bis heute packt Wenning auf der Baustelle selbst mit an, doch seine Entwürfe sind entscheidend geprägt von seiner Liebe zu avantgardistischer Architektur. »Handwerker, die Baumhäuser bauen, wollen möglichst alles allein machen. Für mich spielt das keine Rolle, und ich bin auch nicht auf bestimmte Materialien festgelegt. Holz ist wichtig, aber ich arbeite ebenso mit Kunststoffen oder Stahl.« Zugleich, sagt Wenning, könne er auch freier gestalten als viele seiner Kollegen in anderen Feldern der Architektur: »Die meisten haben ein engeres Korsett. Ich kann im Bereich der Formen und der Materialität in meinem losgelöster und auch skulpturaler gestalten.«
Ein Baumhaus zu bewohnen, fühlt sich nach Freiheit an. Eines zu entwerfen, offenbar auch.