
Ein Gebäude und seine Geschichte: Huadong Hospital, Shanghai
Die Corona-Krise brachte es in Erinnerung: Wie viele Kliniken in Chinas kosmopolitischer Metropole hat auch diese westliche Wurzeln. Ihr Bettenhaus entwarf der deutsche Architekt Rudolf Hamburger, über dessen faszinierendes Leben ein Buch bei DOM publishers erschienen ist.
Text: Björn Rosen
Foto: © Christian Dubrau (Architekturführer Shanghai, 2018)
Als die Coronakrise Anfang 2020 in China begann, wurden 1600 Ärzte und Pfleger aus dem ganzen Land ins Epizentrum, die Provinz Hubei, entsandt. »Beim Durchgehen der Liste stellte ich fest, dass die Geschichte der meisten Kliniken, die Teams geschickt hatten, ins alte Shanghai führt«, schreibt eine Journalistin der Shanghai Daily. Das »alte Shanghai« meint das 19. und frühe 20. Jahrhundert: In China eine Epoche großer Umwälzungen, die vom morschen Kaiserreich über die Ausrufung der Republik bis zum Bürgerkrieg reicht. Damals gewannen ausländische Mächte stark an Einfluss, besonders im kosmopolitischen Shanghai. Mit Briten, Amerikanern, Franzosen kam die westliche Medizin – und neue Architektur.
Zu den örtlichen Kliniken mit westlichen Wurzeln, die Anfang 2020 in Hubei halfen, gehört das Huadong Hospital. Seine Geschichte ist mit einem deutschen Architekten verbunden: Rudolf Hamburger, 1903 in Schlesien geboren. Das Krankenhaus befindet sich in Jing’an, einem der zehn zentralen Bezirke Shanghais; benannt ist dieses dichtbesiedelte Hochhausviertel nach einem alten buddhistischen Tempel. Um zur Klinik zu gelangen, läuft man von der Metrostation Jing’an Temple zehn Minuten Richtung Süden und unterquert dann die Yan’an-Hochstraße. Ein klassizistischer Bau von 1927 bildet das Herz des Areals. Rudolf Hamburger ergänzte ihn 1933 um ein Schwesternwohnheim: Inzwischen ist sein »Victoria Nurses’ Home« längst zum Bettenhaus geworden. Hamburger war Schüler Hans Poelzigs, und so entwarf er das Gebäude betont funktional und schmucklos, abgestellt aufs lokale, feucht-heiße Klima und kostengünstig in der Ausführung. »Diese Architektur im Stil des Neuen Bauens war damals etwas völlig Neues in Shanghai«, sagt Eduard Kögel, Autor einer bei DOM publishers erschienenen Biographie über den Architekten, der als wichtiger Wegbereiter der Moderne in China gelten kann.
Nach Asien hatte Hamburger die Weltwirtschaftskrise 1929 geführt. Während es in Deutschland keine Arbeit mehr gab, erlebte Shanghai einen Bauboom. Der Architekt heuerte bei der Verwaltung der Internationalen Konzession an: Das »Country Hospital«, wie es damals hieß, befand sich am nördlichen Ende dieses ausländisch kontrollierten Viertels. Als Shanghai im Zweiten Weltkrieg dann – trotz Okkupation durch Deutschlands Verbündeten Japan – Zufluchtsort für jüdische Flüchtlinge wurde (die man im »Country Hospital« kostenfrei behandelte), hatte Hamburger, selbst Jude, die Stadt schon wieder verlassen. Das Schicksal führte ihn in den Iran, die UdSSR und schließlich in die DDR.
Sein Schwesternwohnheim wurde vor einigen Jahren saniert, »leider nicht gut«, sagt Kögel. Die Klinik insgesamt ist wichtiger denn je: 1949 von Maos Volksbefreiungsarmee übernommen, behandelte man hier bevorzugt Kader, Militärs, Diplomaten. Als Lehrkrankenhaus gehört sie inzwischen zur renommierten Fudan Universität.