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Fünf Regeln für demenzsensible Krankenhausbauten

Jedes Jahr erkranken weltweit etwa 10 Millionen Menschen an Demenz. Wie können Architektur und Gestaltung von Krankenhäusern ihnen und ihren Angehörigen helfen? Das ist das Thema eines Handbuchs vom DOM publishers. Hier fünf grundlegende Regeln.

 

Text: Björn Rosen 
Click here the English version.

 

1. Gestalte für alle

Bei Demenzkranken geht das Kurzzeitgedächtnis schneller verloren als das Langzeitgedächtnis, deshalb glauben viele, man müsse für sie Räume gestalten, die an frühere Zeiten erinnern. Das ist schon allein deshalb eine problematische Idee, weil manche Leute mit 60, andere mit 90 an Demenz erkranken – auf welche Zeit will man da Bezug nehmen? Gelungen sind Architektur und Design für Demenzkranke gerade dann, wenn sie nicht sofort als solche erkennbar und damit auch stigmatisierend sind. Was es braucht, sind Räume, die für möglichst viele verschiedene Leute funktionieren, die ästhetisch ansprechend sind, Orientierung und Sicherheit ermöglichen. Davon können alle profitieren – Besucher ebenso wie andere Patienten.

 

2. Schaffe visuelle Anker

Krankenhäuser sind große, komplexe Gebäude, und in ihnen sieht es fast überall gleich aus. Schon kognitiv gesunden Menschen fällt da die Orientierung schwer, aber sie können in ihrem Kopf eine Art Landkarte entwerfen – Demenzkranke können das nicht. Sich vorzustellen, dass sie drei Mal um die Ecke biegen müssen, um zu ihrem Ziel zu gelangen, überfordert sie. Was hilft, ist, Orte, an denen sich die Patienten entscheiden müssen, in welche Richtung sie gehen, besonders zu gestalten – so dass sie sich von einem dieser Punkte zum nächsten hangeln können. Solch ein Referenzpunkt kann zum Beispiel eine Fensteröffnung sein, die den Blick auf einen baumbestandenen Hof freigibt. Oder eine Stelle, an der sich der Flur aufweitet und es eine Sitznische gibt.

 

3. Ermögliche Flexibilität

Natürlich braucht es in einem Krankenhaus Standardisierung, aber man muss auch Raum für individuelle Bedürfnisse schaffen. Und sei es nur, dass die Patienten ihr Bett anders stellen können, es zum Beispiel an die Wand schieben können – weil sie es so von zu Hause kennen, weil ihnen das Sicherheit und ein Wohlgefühl gibt. Dann schläft es sich auf einmal viel besser! Gut ist auch, Platz einzuplanen für Dinge, die von zu Hause mitgebracht wurden: etwa ein Bild, das man in seinem Sichtfeld an die Wand hängen kann. Apropos Platz: Sehr wichtig ist, Raum und Aufenthaltsqualität zu schaffen für die Angehörigen, die für Demenzkranke eine sehr große Rolle spielen, damit diese nicht den Eindruck haben, ständig im Weg zu sitzen.

 

4. Denke an Licht

In den erwähnten komplexen Strukturen von Krankenhäusern ist es schwierig, alle Zimmer und Flurabschnitte natürlich zu belichten. Aber je häufiger man dies möglich machen kann, desto besser. Tageslicht hilft bei der zeitlichen Orientierung und verbessert den Schlaf – auch Balkone sind deshalb ein wünschenswertes bauliches Element. Was Licht allgemein, also auch das künstliche, angeht, sollte man berücksichtigen: Im Alter verändert sich das Auge, es kann nicht mehr so viel Licht aufnehmen. Deshalb braucht es gerade für Demenzkranke eine ausreichend starke Beleuchtung. Licht kann ihnen darüber hinaus als intuitive Orientierungshilfe dienen, etwa um in der Nacht den Weg zur Toilette zu finden.

 

5. Biete dem Personal Übersicht

Demenzkranke zeigen oft „Wanderverhalten“ und „Weglauftendenzen“: Weil sie nicht wissen, wo sie sind, werden sie unruhig und laufen dann suchend umher. Für die Mitarbeiter im Krankenhaus ist das eine große Herausforderung. Wie reagieren? Man kann die Ausgänge bewusst verstecken, aber damit blockiert man unter Umständen Fluchtwege. Und Sensoren sind immer ein Eingriff in die Privatsphäre und Autonomie eines Menschen, vom Fixieren ans Bett ganz zu schweigen. Eine Lösung, die meist gut funktioniert: die Station so zu gestalten, dass das Pflegepersonal Patienten gut im Blick behalten und nebenher zum Beispiel Schreibtätigkeiten erledigen kann. Also einen Aufenthaltsbereich, in dem sich die Patienten wohlfühlen, an zentraler Stelle und neben dem Dienstzimmer schaffen

 

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Im Porträt: Übersetzer und Lektor John Nicolson

Nichts war geplant, alles hat sich ergeben: Ein Auto für 300 Pfund brachte ihn 1991 nach Leningrad, ein unverhoffter Anruf 20 Jahre später nach Berlin. Sein Feingefühl für unterschiedliche Sprachen hat Nicolson gewissermaßen unterwegs entwickelt.

 

Text: Björn Rosen
Photo: John Nicolson im Berliner Verlagshaus. Er stützt sich auf einige der Bücher, die er für DOM bearbeitet hat, darunter die Architekturführer zu Alexandria, Dhaka und Kyjiw sowie Grundlagen-Titel zur Ukraine. © Philipp Meuser

 

Vermutlich profitiert er bis heute von seinem klassisch britischen Bildungsweg. Aufgewachsen in zwei Dörfern im Südwesten Englands, in denen »nichts je passiert«, kam John Nicolson mit elf Jahren aufs Internat im nahen Winchester. »Wir waren in einem Gebäude aus dem 15. Jahrhundert untergebracht, zum Teil unbeheizt, aber sehr schön.« Im darauf folgenden Jahr begann der Altgriechisch-Unterricht. »Man bekam einen Text voller Wörter, die man noch nie zuvor gesehen hatte – Poesie, die obskur wirkte –,  und musste dann die Bedeutung herausfinden«, erzählt Nicolson. »Wie bei einem Kreuzworträtsel.« 

Fast 50 Jahre später macht der Brite im Grunde noch immer das Gleiche. Statt antiker Gedichte fordern ihn  nun andere obskure Texte heraus. Wie zum Beispiel überträgt man das »transluzente, PTFE-verkleidete  Leichtbausystem« ins Englische, das in Zusammenhang mit einem Projekt in China im Handbuch Aquarienbauten erwähnt wird? Und was hat es mit der »Qa’a mit vier Iwanen« auf sich, »die als Adaption des traditionellen Wohntypus von Kairo gelesen werden kann oder,  was wahrscheinlicher ist, als europäisierter Import des osmanischen Hallengrundrisses«, wie es im Architekturführer über Ägyptens Hauptstadt heißt? Seit mehr als 30 Jahren übersetzt und lektoriert Nicolson Texte über Architektur, seit rund fünf Jahren arbeitet er regelmäßig für DOM publishers.

 

Von John Nicolson bearbeitet:
Aquarium Buildings
Edited by Jürgen Lange and Natascha Meuser, 464 pages, 900 images, Hardcover with elastic strap, ISBN 978-3-86922-756-6, 128€.
The aim of this publication is to provide architects and their clients, zoologists and operators of large aquariums, with planning parameters and quality criteria to help them in designing a sustainable aquarium.

 

Zuletzt war er für das Buch Mies in His Own Words verantwortlich, das alle Schriften, Reden und Interviews des deutsch-amerikanischen Architekten versammelt. Herausgegeben von den Experten Michelangelo Sabatino aus den USA und Vittorio Pizzigoni aus Italien, richtet es sich an ein internationales Publikum: Einige deutsche Texte Mies van der Rohes übersetzte Nicolson neu und prüfte bereits vorhandene Übersetzungen – eine Herausforderung, denn jeder Formulierung des notorisch wortkargen Mies wird unter Architekturhistorikern größte Bedeutung beigemessen. »Ich musste mich zurückhalten, Formulierungen zu  stark zu glätten«, sagt Nicolson. Sein erklärtes Ziel war es, den »flavour of Mies« zu erhalten.

Nicolson spricht Russisch, außerdem Deutsch, Französisch, Spanisch und Italienisch (wenngleich er eine bescheidenere  Einschätzung abgeben würde, sollten Sie  ihn einmal danach fragen). An die Schulzeit schloss sich zunächst ein Studium von Altgriechisch, Latein und Philosophie in Oxford an. Dass Nicolson  heute ein polyglot ist, liegt an den vielen Zufällen, die darauf folgten.

Es begann 1989 damit, dass Gabriel, Mitbewohner in der Londoner WG, eine Anzeige im Guardian entdeckte: Wer könnte russische Künstler kostenlos unterbringen? Zwar wurde daraus erst einmal nichts, und Gabriel schaffte es auch nicht zur Vernissage, in die man ihn einlud. Aber John nahm den Termin wahr und begegnete dabei der Übersetzerin aus Wolgograd, die die  Künstler begleitete. Ein bleibender Eindruck: Irina wurde später Nicolsons Frau. 

Als das Paar etwas Geld zusammengespart hatte – er arbeitete  als Nachtwächter, sie als Kellnerin –, kaufte es ein Auto für 300 Pfund, um Russland zu besuchen. Dort erlebte Nicolson 1991 die letzten Wochen der Sowjetunion  – und blieb schließlich fast 20 Jahre in Leningrad, das nun wieder Sankt Petersburg hieß. Er lernte die  Sprache, vertiefte sich in russische Literatur (die Thema  seiner Doktorarbeit wurde) und nahm bald erste Aufträge  als Übersetzer an, immer häufiger aus dem Bereich  Architektur. »Einen Job im eigentlichen Sinne hatte ich nie.« Nichts war geplant, alles hat sich ergeben.

Im Jahr 2009 verschlug es die Familie nach Deutschland. Sie hatten sich nach einem Tapetenwechsel gesehnt und ein paar europäische Länder besucht. Die Aufnahmeprüfung der ältesten Tochter in Berlin war zwar schon wieder vergessen, als Monate später das Telefon in Sankt Petersburg klingelte und die Schule an den Beginn des Unterrichts (in fünf Tagen!) erinnerte, doch die Entscheidung dafür umso schneller gefällt.  Wenn John Nicolson von seiner Schöneberger Wohnung erzählt, beschreibt er den Einfall des Lichts und den  Blick durchs Fenster – essenzielle Punkte. Denn während ihn Texte nach China, Ägypten, Montréal und Kyjiw führen, sitzt er doch immer am selben Schreibtisch.

 

Von John Nicolson bearbeitet:
Mies in His Own Words
Edited by Vittorio Pizzigoni and Michelangelo Sabatino, 304 Seiten, 18 Abb., Softcover, ISBN 978-3-86922-307-0, 48€.
Schriften, Reden, Interviews – diese umfassende Kollektion zeigt die erstaunliche Bandbreite von Mies van der Rohes Engagement für Architektur und Bildung in Deutschland und den USA.

A German in Ethiopia

Piet Nieder, lecturer at the TU Berlin,  has a long-lasting admiration for the East African country: from his first visit as a student to two years as a university lecturer right through to the research for his doctoral thesis that has now resulted in his book, The Addis Ababa House.

 

Text: Damien Leaf
Photo: Nieder with architect and photographer Henock Ashagre (left) and Tadesse Girmay, conservationist and researcher at EiABC. © Piet Nieder

 

When Piet Nieder co-organised a symposium at the Goethe Institute in the Ethiopian capital in March, it was the culmination of several years of work on the cultural heritage of Addis Ababa. The German first came to the country in 2005 as an architecture student and tourist. His interest was piqued. ‘I believe that architecture is particularly relevant in a developing country like Ethiopia, where it can still be a social game changer,’ says the 43-year-old.

In 2012, Nieder moved to Addis Ababa as a lecturer at the local institute for Architecture (EiABC). As part of his doctoral thesis, he became aware of the typology at the centre of his recently published book. The Addis Ababa House introduces a very specific form of architecture that emerged in the Ethiopian capital after its foundation in 1886: pavilion-like buildings, made of stone, earth, and wood, characterised by expressive pinched roofs, generous verandas, and a high degree of detailing. ‘At that time, two things came together that are reflected in the building’s design: an indigenous city foundation and a new cosmopolitan spirit, because people from all over the world moved to Addis Ababa after Ethiopia was internationally recognised as a sovereign African state.’

Nieder conducted interviews on the ground, but he was particularly impressed by the amount of material that reached him online from Addis Ababa after an appeal via social media. ‘I see it as an obligation to make my findings accessible in Ethiopia, as well.’ This, he hopes, can also help to preserve the unique heritage. Of the 170 buildings in the style recorded in a database, many have already been destroyed.

Office Building of the Minister of Defence. © Rumi Ozaki

Zwischenstopp in Stettin

Jakub Gołębiewski ist Ko-Autor unseres gerade erschienenen  Architekturführers Stettin. Die Stadt an der Oder ist für ihn Heimat – und Tor zur Welt. Hier nimmt uns der polnische Architekt mit auf eine Tour, die im Hafen startet und am Strand endet. Ahoi!

 

Text: Jakub Gołębiewski
Foto: Stettiner Philharmonie (Estudio Barozzi Veiga,  2015), © Harald Gatermann

 

Stettin ist ein Ort, an dem der Begriff »Europa« keine leere Worthülse ist. Das liegt nicht nur an seiner Geschichte als Teil der Hanse und historische Hauptstadt ­Pommerns: ­Stettiner fahren ins nahe ­Berlin zu Konzerten und DJs aus der deutschen Hauptstadt kommen zu uns. Ich bin in den Neunzigerjahren in ­Szczecin, so der polnische Name, groß geworden und habe erlebt, wie der Austausch über die Grenze hinweg immer intensiver wurde. Mit seinem Hafen – während der kommunistischen Zeit galt unsere Werft als einer der wichtigsten Orte des Widerstands der Solidarność – war ­Stettin aber schon immer der Welt zugewandt.

Achterleine los. Um zu erleben, wie untrennbar die Stadt mit dem Wasser verbunden ist, empfehle ich eine Rundfahrt durch Hafen und Werft zum Dąbie-See – mit Halt am Wrack eines einzigartigen Schiffs aus Beton. Wer es aktiver mag, kann zu einer Kajaktour ins Untere Odertal starten. Und natürlich gibt es viele gute Fischrestaurants, zum Beispiel Chief by The Kitchen (Zbożowa, Nabrzeże Celne), Zakotwiczony (Monte Cassino 1/9) und Paprykarz (Aleja Papieża Jana Pawła II 42). Letzteres ist nach einer lokalen Spezialität benannt: dem Paprykarz szczeciński, bestehend aus Fisch (rund 40 % des Gerichts), Reis, Zwiebeln, Tomatenmark und Gewürzen.

Segel setzen. Um beim Sightseeing munter zu bleiben, geht nichts über eines der vielen Stettiner Cafés. Ich mag etwa das Mozaika (Śląska 43/U1), in dem man auch ­Keramik aus der Region kaufen kann, und das Przystań na Kawę (Gen. Ludomiła Rayskiego 19). Unverzichtbar: ein Blick von der Aussichtsplattform der Jakobskathedrale (Świętego Jakuba Apostoła 1). Geheimtipps dagegen: der Atombunker am Hauptbahnhof und ein Bungee-Sprung vom 252 Meter hohen Schornstein der ehemaligen Wiskord-Fabrik (nicht, dass ich den Mut dazu hätte).

Klar zum Ankern. Am Ende des Tages unbedingt in die beeindruckende neue  Philharmonie (Małopolska 48), freitags gibt es dort in der Regel klassische Konzerte. Und danach vielleicht in die Brauereien Pod Zamkiem (Panieńska 12) oder Wyszak (Księcia Mściwoja II 8), die sich in mittelalterlichen Kellern befinden. Als Absacker empfiehlt sich der köstliche Birnenlikör (Gruszkówka) in der Bar Towarzyska (Księcia Bogusława X 50). Im Sommer verlagert sich das Nachtleben auf die Boulevards an der Oder und an der Wyspa Grodzka, wo es einen Stadtstrand mit herrlichem Blick auf den Wały-Chrobrego-Damm gibt.

 

JAKUB GOŁĘBIEWSKI, Jahrgang 1985, ist ­Assistenzprofessor an der Westpommerschen Technischen Universität (ZUT) in Stettin und Ko-Autor unseres neuen Architekturführers über die StadtFoto: privat

The Narrative of Modernity in Riyadh

The Saudi capital represents a model of the new wave of modernity. The city has shifted dramatically from a traditional era, to a modern era, to a now a hyper-modernity era focusing on giga-projects. The visitor of the city can conceive the local features that distinguish Riyadh architecture from other cities on the regions.

 

Text: Fahad Alotaibi
Photo: The city skyline at night. © Mohamed Hussain Younis (iStock)

 

The city of Riyadh is a model of the new wave of modernity. The city shifted dramatically from a traditional to a modern era and is now progressing into a hyper-modern era focused on giga-projects. The early 1950s saw city stakeholders begin to modernise the city with the aid of both Arab and foreign architects.    

King Salman was the Governor of Riyadh during the modern era, and his clear vision and thoughtful direction resulted in the city building a unique image through architecture – one that represented the locality of the place. We can trace this creative administration in the Architecture & Design Commission’s latest publication: King Salman Charter for Architecture & Urbanism. This essay will touch on the main drivers for excellence in architecture and urbanism in the city over the past 70 years.

The modern history of Riyadh goes back to the sixteenth century when the town of Muqrin was the most important territory and shaped the city’s early urban fabric. The areas of Muqrin and Ma’kal began to merge from the beginning of the seventeenth century and became what is now Riyadh. The city gained importance in 1740 when Turki bin Abdullah Al-Saud, founder of the Second Saudi State, moved the capital from Diriyah to Riyadh. This decision is seen by many as the beginning of Riyadh as a place of importance (Al-Naim, 2013; Saleh, 1998). Yet the city’s urban form did not undergo any significant changes under his rule (Al-Naim, 2013). When King Abdulaziz Ibn Saud regained the city in 1902, Riyadh soon began to spread beyond its traditional territory (estimated to be approximately 9  km² in 1917–1918). Alangari (1997) describes the city’s fabric as originating from the Grand Mosque, the Great Souq, and the Royal Palace, all of which were surrounded by an elaborate defensive wall that was constructed out of mud and incorporated nine major gates. As a traditional settlement, Riyadh possessed the same characteristics as other Arab cities, namely, a compact urban fabric, narrow alleyways, and buildings made from local materials. It was not until King Abdulaziz decided in the middle of the twentieth century to build his new palace and administrative building outside the walled city and expand the city’s territory beyond its walls that a new phase of the city began to take shape (Al-Hathloul, 2017).    

Hamad Al Jassir, a prominent Saudi journalist and historian, asserted that it was in 1952 when the King established the first municipality and appointed Prince Fahad bin Farhan to be the first mayor of Riyadh that the city moved on from its past. At that time, Riyadh evolved from being a traditional city that used local materials and limited techniques into a new city that embraced advanced technologies and welcomed new building typologies such as offices, shops, airports, universities, and hotels.

Riyadh old city souk and grand mosque. © Royal Commission for Riyadh City

 

The Modern Phase of Riyadh’s Urban Development. The first phase of modernity came with two key projects. The first was the urban planning of the Al Malaz neighbourhood, while the second was the work of the prominent Egyptian architect Sayed Karim, who was commissioned to design the main ministry buildings in Riyadh. At that time, these two projects represented a turning point in the city’s history and transformed the entire system of traditional ideas that had dominated the practice of architecture in terms of appearance, tools, and thinking. Al Malaz is a great example of the modernisation of the city, with the grid system that was planned there forever changing the fabric of the city. Both projects played a vital role in shaping the modernity of the city. Many scholars believe that from a planning perspective, the use of a new housing configuration in Al Malaz created a new image of the modern city and had a significant impact on citizens’ perception of how they should progress.    

Riyadh witnessed another phase of development in the 1960s when city officials realised the need to further modernise the city. Constantinos Apostolou Doxiadis was commissioned to create the first master plan for Riyadh in 1969 on the basis of his work in Baghdad in 1959, his famous design of Islamabad in 1960, and his work in many other cities in the developing world, as well as his extensive experience in urban master planning in developing countries and the encouragement of a US diplomat. He developed his master plan based on one key notion in particular: The residential area must have a block with a sense of community to encourage social cohesion. In his letter to King Faisal, Doxiadis wrote: ‘[W]e have been happy to find out that the overall topography has allowed us to direct the main streets toward Mecca’ (Ménoret, 2014, p. 98).

 

The Saudi House and the Modern Transformation. Urbanisation and modernisation as a whole caused unprecedented levels of transformation in the Kingdom of Saudi Arabia in a short period of time, often in a single decade or less. To gain a deeper understanding of these dramatic changes, specifically in Saudi housing, it is necessary to go back in time to these earlier stages. The transformations in Saudi housing are similar to the changes that accompanied the housing transformation in the Arabian Gulf region (Alasanfi, 2001; Al-Ajmi, 2009; Al-Mohannadi and Furlan, 2022).    

The major transformations that changed the Gulf countries at the time of the discovery of oil and the resulting new economic patterns contributed to a change in the structure of Gulf societies. The expansion of cities resulted in population growth and the need for labour, contributing to the crystallisation of the modern Gulf state (Al-Rumaihi, 1995).

Consequently, we find that most research into the history and urban development of the region (Adham, 2009; Elsheshtawy, 2008) divides this regional urban development into four basic stages: the pre-oil stage (traditional urbanism), the modernisation stage, the recession stage, and finally, the major projects stage.

Ministry Buildings designed by Sayed Karim, 1950s. ©  King Fahad Library

 

The structure of Saudi dwellings was most significantly changed by the modernist experience. These modern features are defined by the shift from a poetic and habitable traditional dwelling to a new and radical experience in terms of the spatial configuration of the dwelling, the quality of materials used, and the orientation from an introvert approach to an extrovert approach. The Saudi dwelling has transformed into a new style, reflecting a different lifestyle. Researcher Akpinar (1992) stated that these transformations changed the form of the spontaneous traditional Saudi dwelling as a result of accelerated development and time-frame requirements and contributed significantly to the erosion of many traditional customs, values, and cultural patterns Dr. Fadan (1983) noted in his key study on the development of Saudi housing that changes in the modernisation process in different countries often took decades, but the rapid modernisation phase that took place in terms of the architecture of the Saudi dwelling happened in no more than ten years, and it may have contributed to the arrival of a new villa style in Saudi society. The Aramco housing project in Dhahran introduced the American villa style to the region and attempted to cultivate it in Saudi society without any introduction, contributing to the accelerated adoption of the modern villa in Saudi society. This is what we observed in Saudi workers’ accommodation in Aramco at the time, where the pattern of the American workers’ housing complex appeared to influence the adoption of the use of modern materials, with the Saudi workers adapting them to their own needs.    

The impact of the emergence of the modern villa pattern in Aramco and the changes it led to in the structure of Saudi housing can be considered significant in most Saudi cities, especially Riyadh. However, there have been many changes in Saudi housing as a result of economic, social, and population variables. Many different patterns of housing have emerged, notably separate modern villas, apartment buildings, and palace apartments. As the modernisation period continued, others have focused on borrowing a mostly new housing form and model (the single-family house) without returning to the authentic form of the house – which met the needs of the extended family – and without developing the internal spaces or the architectural language used. A wave of criticism has emerged asserting that these new architectural styles are not based on the authenticity of past regional styles and that modern architects have not understood the real needs of the population both in terms of identity and the environmental performance of housing, but rather relied heavily on a new pattern of adaptation that eliminated the idea of the sustainability of the buildings and their relevance to the region’s climate.    

During this period, Caesar Taleb (1984) wrote an analytical study of the development of the then Saudi dwelling in all regions of the Kingdom, criticising this period’s direction of fully embracing the modern model without continuity or inspiration from elements of the past and recalling in this context ‘the apparent influence of Western architecture in Gulf cities, and false identity without any association with tradition’.

 

The Role of Foreign Architects in Shaping the City’s Modernity. Seeking to connect the ideas of modernity with the identity of the place, numerous foreign architects working in Riyadh took their inspiration from local architecture and the identity of the place and tried to tie the architecture of today with the past and thereby create a ‘sense of historical continuum’ (Pallasmaa, 2012). These endeavours have resulted in Riyadh becoming a stage for the experimental work of renowned international architects including Minoru Yamasaki, Arthur Erickson, and Trevor Dannatt, among others, as well as large international firms such as HOK and SOM. However, their contribution to Riyadh’s architectural landscape has not yet been critically examined.    

Although there has been succinct criticism that globalisation has brought about a uniform regime of sameness, academics have noted that there have been regional variations in late modern architecture, which have been categorised as ‘Global South’, ‘Eastern’, ‘Third World’, and, more broadly, ‘Other’ modernisms (Stanek, 2015). In this regard, we could view the foreign architecture in Riyadh as work that deserves to be considered through a local lens rather than as a mirror of global architecture. How does a globally prominent architect like Arthur Erickson see the locality of the place in the East, and to what extent can the architect’s modernity add another layer of identity to the place? Erickson was known for emphasising the importance of acutely interpreting the language of a place and adding his own version to emphasise the building’s locality. As he embarked on this project, it was possible to observe how he interpreted the East and adapted his modern vocabulary to the region. To this end, one of his unbuilt projects deserves to be highlighted here: the Saudi Arabian National Centre for Science and Technology in Riyadh. Here, Erickson attempted to abstract the Najdi triangle and functionalise it in a way that connected the project to its spatial context. Erickson also set out to explore the concepts of local architecture and extrapolate the future.    

In addition, by reusing the open courtyard and building interiors as much as possible and taking into consideration the natural factors of the place by reducing the number of openings, this in itself was considered a success at a time when modernist ideologies were prevailing, leading to a duplicate model that did not take into account the natural determinants of the location.

Saudi Arabian National Center for Science and Technology, 1981. © Erickson

 

Renowned architect Minoru Yamasaki also contributed to Riyadh architecture. He became known across the world when he was commissioned to design the World Trade Centre in New York City, and his work in Riyadh is considered late modernism that embraces modernity without neglecting the culture and architecture of the place. Saudi Arabia’s Central Bank represents an unusual attempt by a foreign architect to reflect the identity of the place. This building was designed in a closed, inward manner because of the nature and sensitivity of the project. The interior courtyard resembles an oasis in the middle of the desert. Although the exterior is rather reserved, the interior was structured around a six-storey atrium-style, air-conditioned courtyard ‘filled with softer, more diffused daylight provided by a system of indirect skylights’ and it is ‘further enhanced by a reflecting pool and landscaping to provide an enjoyable focus for the office areas’ housed within, which open directly onto the atrium space (Kiely, 2016).

King Salman Park. Photo: Promo

 

In the years since the launch of Vision 2030, the Kingdom has witnessed a huge transformation from modernity to hyper-modernity and a phase of new architecture and urbanism that emphasises the future and innovation. There is no doubt that these projects will have a profound impact on the future of architecture and design in Saudi Arabia and beyond. Indeed, it goes beyond this to set a new standard for architecture in the world. The list of futuristic projects that aim to address the challenges that face humanity in the future are great examples that represent the attitude of architecture in the Kingdom of Saudi Arabia. King Salman Park, Sports Boulevard, and Diriyah Gate, among others, represent the architecture of the Riyadh of the future – architecture and design that respect the local culture, satisfy the social needs of residents, reduce environmental impact, and embrace sustainability. 

 

FAHAD ALOTAIBI, Ph.D. architect, educator, and senior advisor at the Architecture & Design Commission Ministry of Culture. He studied at King Saud University (BSc Architecture and Building Science) and the University of Sheffield (MArch Architectural Studies) and holds a Ph.D. in Environmental Design/ Architecture from the University of Calgary, Canada. Having previously worked in Riyadh municipality, Umran magazine (an editor), and King Saud University (Architectural Researcher), Alotaibi was a former chair of the architecture department at the College of Architecture and Design at Qassim University. He is currently working on an architectural guide to Riyadh.

A Powerful Voice from Ukraine

Author and critic Ievgeniia Gubkina combines architectural history with cultural studies, and research with activism. DOM has now published a collection of her best essays, interviews and articles.

 

Text: Damien Leaf
Photo: Ievgeniia Gubkina, photographed in London, 2023. © Anastasiya Shomina

 

Ievgeniia Gubkina’s interest in Soviet-era architecture began not with buildings, but with stories. They were the exciting, tragicomic, dissident tales told in her family in the late 1980s when Ievgeniia was a little girl and communism was about to crumble. One tale was of her great-grandmother. In the heyday of Stalinist oppression and famine, the then 12-year-old was lavishly provided for in a camp of the Young Pioneers (the compulsory organisation for children) in the Crimea. But Ievgeniia’s great-grandmother hated having to follow orders and snuck out, only to be asked after an adventurous return home: ‘What are you doing here? We have no food!’

Having grown up not only in a critical milieu, but also in a family of four generations of architects, engineers, and academics, Ievgeniia Gubkina was already familiar with the historical-political context when she later studied interwar modernism, among other things, in Ukraine. It surely also helped that she is from Kharkiv, which was the capital of the Soviet Republic of Ukraine from 1919 to 1934 and rebuilt to a large extent in the style of Socialist Classicism after the Second World War. ‘I had the key. I just had to find the door,’ she says.

In her hometown, Ukraine’s second largest city after Kyiv, she studied architecture with a specialisation in urban planning, receiving her MA in 2008. Gubkina combines architectural history with cultural studies, and research with activism – in 2014 she co-founded the NGO Urban Forms Center. ‘I try to jump between different contexts and topics.’ Her first book with DOM, the Architectural Guide Slavutych (2015), is a case in point. It presents the fascinating history of the city purpose-built for the evacuated personnel of the Chernobyl Nuclear Power Plant after the 1986 disaster. The book was followed by Soviet Modernism. Brutalism. Post-Modernism. Buildings and Structures in Ukraine 1955–1991.

 

 

For their next joint project, Gubkina and DOM planned an architectural guide to Kharkiv, but then came the Russian attack. Now, next up is a collection of essays that – as in her childhood stories – combine historical events, personal experience, and political reflection. The opinionated, combative tone is also in the best family tradition. In Being a Ukrainian Architect During Wartime, Gubkina gathers the texts and speeches she published during the first months of the war. The book opens with an interview she gave to Ukrainian Vogue in March 2022 directly from the minivan that evacuated her and her family to Latvia. By then, a quarter of the buildings in Kharkiv had already been destroyed or damaged. Most of the subsequent texts were written in exile in Paris and have been read or published in various places around the world, including Dérive and Architectural Record.

Now, thanks to support from CARA (the Council for At-Risk Academics), Gubkina lives with her 14-year-old daughter in London. She is a Randolph Quirk Fellow and teaches at UCL Bartlett. She cannot say whether she will ever return to Kharkiv permanently: ‘I try not to think about the future now.’ In any case, she has resumed work on the architectural guide to the city. The book is scheduled for publication in summer 2024.

 

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Robotron-Kantine und Tele-Café: Wo die DDR einst speiste

Für kulinarische Höhepunkte war der ­Arbeiter- und Bauernstaat nicht bekannt, doch seine Mensen und Restaurants wurden oft anspruchsvoll gestaltet. Um ihren Charme zu erhalten, braucht es mehr Aufmerksamkeit für diese einzigartigen Orte.

 

Text: Dina Dorothea Falbe
Foto: 1970 lud die Wochenpost paläs­tinensische Kinder in die DDR ein. Auf dem Berliner Fernsehturm gab es für sie Kakao und Kuchen. © Bundesarchiv, Peter Heinz Junge

 

Er sollte die Botschaft der politischen Überlegenheit des Sozialismus gen Westen senden: Der Berliner Fernsehturm, eröffnet durch Walter Ulbricht kurz vor dem 20. Jahrestag der DDR am 3. Oktober 1969, war ein politisches Prestigeprojekt. Besonders die Stahlkugel als Turmkopf – ein Novum - galt als waghalsiges Unterfangen: eine architektonische Ideal­lösung ohne Rücksicht auf die Kosten. Denn der Turm war nicht nur da­rauf ausgelegt, durch schiere Größe zu beeindrucken (mit 368 Metern ist er bis heute das höchste Bauwerk seiner Art in Deutschland), er war buchstäblich ein Höhepunkt sozialistischer Gastrokultur. Im Tele-Café servierte man Schokoladen-Nuss-Parfait und sowjetischen Wodka – in 207 Meter Höhe.

Ein wesentliches Element war dabei die aufwendige Inneneinrichtung: Ledersitze und verchromte Tischlampen des Leuchtengestalters Richard Wilhelm sorgten für ein edles Ambiente. Gegenüber dem Ausblick durch die Panoramafenster wurden mit Aluminiumverkleidung und einer Motivwand des Künstlers Wilhelm Kühn die Assoziationen zur Kosmonautik aufgegriffen, die man etwa auch bei den Bullaugenfenstern im Eingangsgebäude von Walter ­Herzog fand: Die Raumfahrt war bis in die Siebzigerjahre ein oft eingesetztes Motiv, das den Glauben an eine bessere Zukunft durch technischen Fortschritt im Sozialismus illustrieren sollte; der Fernsehturm steht wie kaum ein anderes Gebäude für diese »Sputnik-Ikonografie«. Das Gesamterlebnis des Gaststättenbesuchs, bei dem dank der Drehfunktion das gesamte Panorama der DDR-Hauptstadt in einer Stunde erlebt werden konnte, war bis ins Detail ausgestaltet. Für die ausgewählten Mitarbeiterinnen (es wurden offenbar »ausschließlich junge, hübsche Damen – Durchschnittsalter 25 Jahre« eingestellt, schreibt Matthias Grünzig in seinem Buch Der Fernsehturm und sein Freiraum) entwarf die Modegestalterin Gerda Wernitz spezielle Kostüme, die an die Kleidung von Flugbegleiterinnen erinnern sollten. Einstellungsvoraussetzung waren zudem Kenntnisse in Englisch, Französisch und Russisch.

Die ursprüngliche Innenausstattung des Restaurants in der Kugel fiel 2013 einer Modernisierung zum Opfer, doch das Raumerlebnis zwischen der atemberaubenden Aussicht durch das Panoramafenster und der erhaltenen künstlerischen Arbeit von Wilhelm Kühn können bis heute täglich Tausende Restaurantbesucher genießen.

Speisesaal 1 der Robotron-Kantine. © Eberhard Wolf, netzwerk ostmodern, www.robotron-kantine.de
Speisesaal 1 der Robotron-Kantine. © Eberhard Wolf, netzwerk ostmodern, www.robotron-kantine.de

 

Wenige Monate vor Eröffnung des Fernsehturms wurde Anfang April 1969 im Rahmen eines zentral eingeleiteten ­Reformprogramms für die Wirtschaft in der DDR der VEB Kombinat Robotron gebildet und mit den Bauarbeiten auf dem späteren Robotron-Gelände in ­Dresden begonnen. Unter diesem Namen, zusammengesetzt aus den Begriffen ­»Roboter« und »Elektronik«, sollte der größte Computerhersteller der DDR und ein bedeutender Produzent von Informationstechnologie im Ostblock entstehen. Rechentechnik und Mikroelektronik galten als zukunftsweisend: Dies sollte durch die Standortwahl in direkter Nähe zur Innenstadt und die Gestaltung des Robotron-Areals unterstrichen werden. Unter der Verantwortung des Architektenkollektivs unter Leitung von Axel Magdeburg und ­Werner Schmidt wurde bis 1974 eine der größten und qualitätsvollsten Baumaßnahmen dieser Zeit in Dresden umgesetzt.

Neben Gebäuden für die ­Kombinatsleitung, Bürobauten sowie dem Rechen­zentrum wurde auf dem Areal am Pirnaischen Platz, eingebettet in die Parklandschaft am Übergang zum Großen Garten, eine großzügige Betriebsgaststätte errichtet. Der Pavillonbau nach Plänen von Herbert ­Zimmer, Peter Schramm und Siegfried Thiel umfasst eine Küche sowie zwei große Speisesäle mit insgesamt 800 Plätzen. Diese Robotron-­Kantine war kein Typenprojekt, sie wurde ­individuell entworfen, um ihre Funktion als Treffpunkt für die Belegschaft des zukunftsweisenden Betriebs zu erfüllen. Den Architekten gelang es, aus den damals verfügbaren vorgefertigten Bauelementen eine eigenständige Architektur zu entwickeln. Architekturhistorisch betrachtet, ist die ­Robotron-Kantine Zeugnis einer Zeit, in der die serielle Vorfertigung als Chance für die Gestaltung wahrgenommen wurde. Erst als die Typisierung ganzer Gebäude in vielen Bereichen zum Standard wurde und individuelle Gestaltungsideen aufgrund der wirtschaftlichen Situation kaum mehr umsetzbar schienen, ließ die anfängliche Begeisterung nach. Die Gestaltung des Robotron-Areals war dagegen noch geprägt von einer Liebe zum Raster, die nicht nur in den konstruktiven Merkmalen, sondern auch in dekorativen Elementen erkennbar war. Betonformsteine schmückten die Fassaden aller Gebäude auf dem Robotron-Gelände. Auch die Brüstungselemente rund um die Terrasse der Betriebsgaststätte wurden aus Betonformsteinen von Friedrich Kracht gefertigt. In den Sälen befinden sich hochwertig verzierte Wandflächen mit Formsteinen von Eberhard Wolf.

In dem markanten und gut zugänglichen Gebäude fanden zudem zahlreiche Kulturveranstaltungen und Feierlichkeiten statt, bei denen das betriebseigene Ensemble mit Musik, Tanz, Kunststücken und Puppen­spiel auftrat. Auch nach Auflösung des ­Robotron-Kombinats 1990 wurde die ehemalige Betriebsgaststätte immer wieder kulturell genutzt: als Diskothek und Tanzbar, als Probebühne der Semperoper, für die ­Zwingerfestspiele oder als ­Tatort-Drehort. Als ein neuer Eigentümer 2016 den Abriss plante, regte sich Widerstand: Netzwerke wie ostmodern.org und ­Industrie.Kultur.Ost setzten sich für den Erhalt ein – als zentral gelegener kultureller Treffpunkt und letzte bauliche Erinnerung an die Geschichte des verschwundenen Kombinats. Die anderen Gebäude auf dem Areal wurden in den vergangenen Jahrzehnten zunächst auf unterschiedliche Weise umgenutzt und zuletzt teilweise (Atrium I und Rechenzen­trum) abgerissen, um neuen Wohnbauten Platz zu machen. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung 2019 im Zusammenhang mit Dresdens Bewerbung als Kulturhauptstadt 2025 den städtischen Erwerb und Erhalt der Kantine beschlossen hatte, lag das Projekt zunächst aufgrund ungeklärter Finanzen brach, da aus der Bewerbung nichts wurde. Seit 2022 nutzt das Kunsthaus ­Dresden im Wechsel mit der Ostrale das Gebäude als Ausstellungsort, was der gegenwärtige ­Projektentwickler und Eigentümer ermöglicht. Aktuell wartet eine Vorlage der Stadtverwaltung zum Ankauf der Kantine für 110.000 Euro auf eine Entscheidung im Dresdner Stadtrat. Noch zögert man, aufgrund der schwierigen Finanzlage.

 

Ehemalige Mensa der Ingenieurhochschule Wismar: Innenaufnahme (oben), die Außenanlage mit Wasserbecken, vermutlich aufgenommen im Jahr 1975 (Mitte), und ein in der Mensa abgehaltenes Konzil (unten). © Hochschule Wismar

 

In der ehemaligen Mensa der Ingenieurhochschule Wismar findet kein studentisches Leben mehr statt. Ihr Standort wurde als zu weit entfernt vom Hochschulcampus angesehen und 2015 eröffnete eine neue Mensa auf dem Campus. Die Alte Mensa war ab 1972 im Rahmen der Planungen für den zu dieser Zeit im Bau befindliche Siedlung Friedenshof als Teil des Wohngebietszentrums errichtet worden. Neben den Hochschulangehörigen aßen dort Schulkinder mehrerer Schulen. Auch eine Milchbar gehörte zum Programm. Um diese unterschiedlichen gastronomischen Angebote effizient zu organisieren, versorgte eine zentral im Gebäude angelegte Küche drei Speisesäle und Gasträume – überdacht von Schirmschalen aus nur sechs Zentimeter dickem Beton, gestaltet und umgesetzt vom Betrieb des Binzer Schalenbaumeisters Ulrich Müther. Die Schalen sind von außen kaum sichtbar, prägen jedoch die Innenräume umso mehr. Der große Saal wird von vier Schalen überdacht. Ein holzverkleidetes Band im Zwischenraum der Schalen mündet in eine Metallgetaltung in der verglasten Fassade, die ursprünglich beleuchtet war. Die Schirmschale der Milchbar zierte eine Bemalung, die auf den vier Seiten der Stütze einen Baum in vier Jahreszeiten abbildete.

Zur künstlerischen Ausgestaltung gehörte laut Beschreibung der Architekten in der Zeitschrift Deutsche Architektur auch ein »farbiges Natursteinmosaik mit technischem Bewegungsspiel«, das »die Einheit von Forschung und Lehre darstellen« sollte, »wobei die plastische Wirkung sich durch die darüber angeordnete Lichtkuppel« erhöhe. Der Architekturentwurf war im Ingenieurhochbaukombinat Rostock, Sitz Wismar, unter Chefarchitekt Arno Claus Martin entstanden. Zum Raumprogramm gehörte auch eine Bunkeranlage, die sich – neben dem zuletzt für Partys genutzten Mensakeller – im Untergeschoss des Gebäudes befindet.  Mit den Partys war es 2018 schließlich vorbei, als die Betriebsgenehmigung seitens der Stadt unter anderem aufgrund von brandschutztechnischen Mängeln nicht verlängert wurde. Mehrere Investoren interessierten sich dafür, das Grundstück zu erwerben – jedoch nicht dafür, das Gebäude zu erhalten. Auch hier waren es Engagierte aus Fachkreisen, die sich für den Erhalt der Mensa einsetzten. Die Wismarer Kammergruppe der Architektenkammer machte auf die Bedeutung und Qualitäten des Bauwerks und auf dessen Potenziale aufmerksam.

Der Name Müther war und ist insbesondere an der Wismarer Hochschule nicht unbekannt, denn dort wird seit 2006 der berufliche Nachlass des Bauingenieurs und Unternehmers aufbewahrt. Ab 2017 konnte dieser in einem geförderten Projekt archivarisch erschlossen und in eigens dafür eingerichtete Räume überführt werden. Im Müther-Archiv liegen Zeichnungen der materialsparenden und hochwertigen Schalenkonstruktionen und so lässt sich nachweisen, dass es mehrere Gaststätten mit Schirm- oder Pilzschalen von Müther in der DDR gegeben hat. Die Wismarer Mensa ist ein gut erhaltenes Beispiel. Im Jahr 2020 kaufte schließlich die Wismarer Wohnungsbaugesellschaft (Wobau) das Objekt. Sie plant, das Gebäude für eigene Büros zu nutzen. Anstelle der zentralen Küche soll ein Lichthof entstehen, der Raumeindruck unter den Schirmen weitgehend erhalten bleiben. Wie mit der baugebundenen Kunst umzugehen ist, die sich in Form weiterer Metallgestaltung im Außenraum fortsetzt, wird in Abstimmung mit der Denkmalpflege zu entscheiden sein. Nachdem die Wobau das Gebäude erworben hatte, stellte das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern die Wismarer Mensa unter Denkmalschutz. Der Baubeginn für die Sanierungsarbeiten ist aktuell für 2024 avisiert.  

Für die von 1973 bis 1976 erbaute Mensa der Universität Greifswald schuf Wolfgang Frankenstein das fünfteilige Wandbild Studenten in der so­zia­listischen Gesellschaft. © Martin Maleschka

 

Vielseitig genutzt und damit als prägender Ort präsent im Gedächtnis vieler, die in Greifswald und Umgebung ihre Jugend verbracht haben, ist die dortige Mensa am Schießwall. Seit 1993 sorgte der Mensaclub als größter Studentenclub der Stadt hier regelmäßig für Programm mit Konzerten, Partys und Filmnächten. Mittlerweile wird die Mensa als Alte Mensa bezeichnet, denn auch in Greifswald gibt es auf dem neuen Universitätscampus eine neue Mensa. Doch das 2014 unter Denkmalschutz gestellte Gebäude soll auch nach der Sanierung wieder für die Angebote des Vereins Mensaclub zur Verfügung stehen. Darüber hinaus soll die Mensa »zu einem zentralen Kommunikations- und Koopera­tionspunkt für Start-ups, für die IT- und Kreativszene sowie für bestehende Unternehmen, Handwerk und weitere Bereiche« entwickelt werden, wie das verantwortliche und von der Stadt sowie der Universität getragene Wissenschafts- und Technologieunternehmen erklärt. Am Rande der historischen Altstadt, direkt an einem der wichtigsten Eingänge zur Innenstadt gelegen, soll nun im Rahmen einer Landesinitiative ein »Innovationszentrum« in der Alten Mensa entstehen. Nach einer finanzierungsbedingten Projektverzögerung ist die Fertigstellung aktuell für 2027 geplant. Der moderne zweigeschossige Stahlbetonskelettbau mit markanter roter Fassade wurde von Ulrich Hammer nach einem Konzept von Ulf Zimmermann entworfen und 1975 eröffnet. Im Keller soll sich die zen­trale Leitstelle der Zivilverteidigung befunden haben. Beeindruckend ist die reiche künstlerische Ausstattung des Gebäudes: Das 22 Meter lange Wandbild Studenten in der sozialistischen Gesellschaft im Eingangsfoyer stammt von dem Künstler Wolfgang ­­Frankenstein. Die Bierstube wurde mit Arbeiten von Studierenden aus Keramikzirkeln ausgestaltet. Treppenhaus und Milchbar zierten die Werke mit regional inspirierten Motiven Ostsee und Mecklenburger Trachten, die in den Emaillezirkeln Fritz Kühn und Lea Grundig entstanden waren.

Ebenfalls von Ulf Zimmermann stammt der Entwurf für die von 1968 bis 1972 errichtete Mensa der Hochschule Ilmenau in ­Thüringen. Auch diese Mensa steht als erster Bau eines an der TU Dresden entwickelten Typenprojektes seit 2011 unter Denkmalschutz. Das Büro AGZ, mittlerweile übernommen von Zimmermanns Sohn Norbert, beschreibt die gestalterische Wirkung in den Referenzen: »An der Fassade kontrastieren die dunkelbraunen Stahlprofile der Obergeschosse zu den weiß gespritzten Alu-Color-Lamellen an den Brüstungs- und Simsblenden.« Die äußere Erscheinung soll bei der 2021 begonnen Sanierung »so originalgetreu wie möglich nachempfunden« werden. Im Inneren grenzen sich die verschieden großen Speiseräume durch ihre Gestaltung klar von­einander ab und erzeugen unterschiedliche Raumerlebnisse. Die Milchbar und Imbisstheke separierten die Architekten durch eine räumliche Zonierung: »fest im Fußboden verankerte Tische und Sitze mit roten Bezügen sind vor der Imbisstheke angeordnet, grau bezogene Stühle und bewegliche Marmortische charakterisieren den dahinterliegenden Raumbereich der Milchbar. Rudi Sittes hinterleuchtete Wandgestaltung aus farbigen Glaskörpern an der Stirnwand bildet ein weiteres einprägsames Element der innenräumlichen Ausformung.« Eine Reliefwand von Rudolf Sitte und ­Dieter Graupner mit dem Titel ­positiv im Innenraum verbindet abstrakte Formen mit Personendarstellung, während die Relief­wand der beiden Künstler im Außenraum vollständig abstrakt gehalten ist. Als  Mitbegründer der Künstlergenossenschaft  Kunst am Bau und Professor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, der über baugebundene Kunst lehrte, schuf Rudolf Sitte zahlreiche, häufig plastische Wandgestaltungen für öffentliche Innenräume.

 Mensa der Technischen Hochschule Ilmenau. © AGZ

 

Insbesondere die gastronomische Nutzung stellt oft hohe funktionelle, hygienische und ökonomische Ansprüche, die den Erhalt der historischen Gestaltung erschweren können. Selbst wenn es gelingt, die häufig vielseitig genutzten Speisesäle und Gaststätten zu bewahren, sogar denkmalpflegerisch zu untersuchen und zu schützen, ist es schwer, den Erhalt der Originalsubstanz und der ursprünglichen Nutzung gleichzeitig möglich zu machen. Speisesäle, die inzwischen vorwiegend als kulturelle Orte genutzt werden, können durch die geringeren baulichen Anforderungen oft mehr von ihrem Charme konservieren. Die aufgeführten Beispiele aus Dresden und Berlin zeigen, wie wichtig die öffentliche Diskussion über den Wert von Architektur ist, um vorhandene Qualitäten sichtbar zu machen und erlebbar zu halten.

 

DINA DOROTHEA FALBE ist Architektin, Autorin in Berlin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Müther-Archiv an der Hochschule Wismar. Das Architekturerbe der DDR ist einer ihrer Forschungsschwerpunkte. Foto: privat