
Ein Gebäude und seine Geschichte (1): Technische Hochschule in Lissabon
UN-Generalsekretär Guterres erhielt hier sein Diplom: Das Instituto Superior Técnico, eine der renommiertesten Bildungseinrichtungen Portugals, steht für Fortschritt. Dabei war sein Innenstadt-Campus einst Renommierobjekt der reaktionären Salazar-Diktatur.
Text: Björn Rosen
Foto: Vor dem Hauptgebäude der Hochschule, © Harald Bodenschatz
Einen Job hat so gut wie sicher, wer hier seinen Abschluss macht: 86 Prozent der Studenten finden in den sechs Monaten nach, 42 Prozent sogar schon vor ihrer Graduierung eine Anstellung. Das Instituto Superior Técnico ist nicht nur die wichtigste ingenieurwissenschaftliche Hochschule, sondern eine der angesehensten Bildungseinrichtungen Portugals überhaupt. Zu den Alumni gehören drei ehemalige Premierminister, darunter António Guterres, derzeit Generalsekretär der Vereinten Nationen. Der 70-Jährige erhielt 1971 sein Diplom in Elektrischer Energietechnik.
Als junger Mann nahm Guterres vermutlich unzählige Male den Weg, auf dem man sich noch heute dem Hauptgebäude nähert, das auf einem Hügel liegt. Vom Monumentalbrunnen Fonte Luminosa führt er über eine Rasenfläche, dann muss man eine Straße überqueren, ehe man zum gepflasterten Vorplatz gelangt, auf dem sich die Studenten versammeln. Hat man die Stufen der Freitreppe genommen, steht man schließlich vor dem Bau mit seiner Art-déco-artigen Fassade.
Das Gebäude bildet das Zentrum des Alameda-Campus in der Lissaboner Innenstadt. Die Anlage wurde Mitte der Dreißigerjahre errichtet. An der Spitze Portugals stand damals António de Oliveira Salazar, der das Land noch bis 1968 diktatorisch regierte. Sein technokratisches Regime war konservativ und nationalistisch ausgerichtet, aber es war weniger anti-modern als oft angenommen. Die Autoren des neuen Buchs Städtebau unter Salazar zeigen, wie Bauten und Infrastruktur helfen sollten, Stärke und Effektivität unter Beweis zu stellen und so die Diktatur zu legitimieren. »Indem man die europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts als dumm und rückständig darstellt, verharmlost man sie – und versteht nicht, warum sie so erfolgreich waren«, sagt Harald Bodenschatz, einer der Herausgeber. Er war bereits am Buch Städtebau unter Mussolini beteiligt, das 2011 bei DOM publishers erschien. Für 2020 ist ein Band über Francos Spanien geplant.
Außergewöhnlich im Falle der Salazar-Diktatur war die starke Stellung des Bauministers Duarte Pacheco (1900 – 1943), der auch Bürgermeister von Lissabon war – und Rektor der Technischen Hochschule. Selbst im demokratischen Portugal von heute genießt er eine gewisse Anerkennung. Auch der Alameda-Campus, Teil eines größeren städtebaulichen Konzepts, war Pachecos Werk. Im Hauptgebäude fand nach seinem Tod eine Propagandaschau über die Bauten des Regimes statt.
Der Text stammt aus dem DOM magazine No. 1, Februar 2020. Unser Magazin erscheint vier Mal jährlich – zwei Mal auf Deutsch und zwei Mal auf Englisch. Das aktuelle Exemplar bekommen Sie mit Ihrer Bestellung in unserem Webshop.